Zwei Hände und zugemauerte Fenster

Osann-Monzel · Geschichte hautnah erleben - das hat das Emil-Frank-Institut in Zusammenarbeit mit der Ortsgemeinde Osann-Monzel ermöglicht. Ein Rundgang führte durch die jüdische Geschichte des Ortes. Beispielsweise zur ehemaligen Synagoge. Dort sind die Fenster noch immer zugemauert. Sie wurden in der Reichspogromnacht zerstört.

Dass man Geschichte auch sehr lebendig vermitteln kann, bewies einmal mehr das Wittlicher Emil-Frank-Institut, das zu einem Rundgang durch den Ort Osann-Monzel eingeladen hatte.
Das Emil-Frank-Institut erforscht die jüdische Geschichte der Region und hat schon mehrfach historische Rundgänge angeboten. René Richtscheid und Armin Kohns (Vorsitzender des Vereins "1000 Jahre Osann") aus Osann führten 70 Interessierte durch den Ort.

"Das sind mehr als doppelt so viele, wie wir erwartet haben," sagt Kohns. Startpunkt war der jüdische Friedhof, der etwas versteckt an der Straße zum Sportplatz liegt. Osann-Monzel war das erste Dorf, in dem sich eine größere jüdische Gemeinde entwickeln konnte.
Das lag an der Vertreibung der Juden aus Kurtrier vor etwa 500 Jahren, wie Richtscheid erläutert. Nach und nach siedelten sich immer mehr jüdische Familien in Osann an. Im Jahr 1843 waren 15 Prozent der Osanner jüdischen Glaubens. Die Gemeinde war mit 104 Mitgliedern genauso stark wie die Wittlicher jüdische Gemeinde.Besondere Symbolik

Richtscheid erzählte von Eigenheiten und der Symbolik der jüdischen Bestattungskultur. So würden zum Beispiel die Toten in gleichen Kleidern begraben, da vor dem Tode alle gleich sind. Zwei Hände, die auf einem Grabstein zu sehen sind, weisen zum Beispiel darauf hin, dass der Verstorbene eine Priesterfunktion hatte. Eine abgebrochene Säule zeigt, dass ein junger Mensch verstorben ist, der noch die Zukunft vor sich hatte. Die Abbildung von Klingen verweist wiederum auf einen Verstorbenen, der Beschneider war.
Der Gang führte weiter in den Ort. Dort steht in der Trierer Straße das Haus der Familie Kahn, die vor der Nazi-Diktatur zu den prominentesten Familien Osanns zählte. Einer ihrer Söhne, Siegfried Kahn, zählte damals zu den besten Fußballern Monzels. 1938 musste er dennoch in die USA auswandern. Seine Nachfahren in den USA halten noch immer Kontakt nach Osann-Monzel.

Die Verbindung ist so stark, dass der Osann-Monzeler Andreas Filz gemeinsam mit dem Wittlicher Steinmetz Sebastian Langner einen Gedenkstein angelegt hat, der an die jüdische Geschichte erinnert.
Eine weitere Station des Rundgangs war ein Besuch des Kriegerdenkmals in Osann. Auf dessen Gefallenenliste stehen zwei jüdische Namen, die offenbar während der Nazizeit nicht entfernt worden sind.
Auch die Synagoge aus dem Jahr 1899 mit der dazugehörenden Schule steht noch in der Bernkasteler Straße. Heute noch erinnern die zugemauerten Fenster an die Reichspogromnacht, in der gewalttätige Nazis die Fenster eingeschlagen haben.

Am Ende des Rundgangs gab es ein Thora-Fragment, einen jüdischen Gesetzestext, zu sehen, der die Kriege und die Nazizeit überstanden hat.
Barbara Zelder aus Osann war von der Führung beeindruckt: "Ich stamme aus der Eifel und lebe erst seit einem Jahr in Osann und will die Geschichte des Ortes kennenlernen. Ich würde so ein Angebot gerne nochmals nutzen."
Auch für Rainer Bastgen aus Greimerath war die Führung bereichernd: "Die jüdische Kultur hat mich schon immer beschäftigt. Nach einer solchen Führung hat man eine ganz andere Beziehung zur Ortsgeschichte."Extra

Warum liegen manchmal Steine auf jüdischen Gräbern? Die jüdische Kultur geht davon aus, dass ein Grab für die Ewigkeit gedacht ist und den Toten gehört. Gräber sind deshalb keine Gedenkstätten, die immer wieder von Angehörigen besucht werden können. Deshalb gibt es auch keinen Blumenschmuck auf jüdischen Gräben. Einen Stein auf einen Grabstein als Symbol der Erinnerung zu legen geht auf die Zeit der Wüstenkultur zurück. Damals wurden Gräber mit Steinen beschwert, damit sie nicht ausgeraubt werden und um Tiere von ihnen fernzuhalten. hpl

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