Zwei Züge auf einem Gleis

Eine gezeichnete Ansichtskarte aus dem Jahr 1911 ist vermutlich das erste Luftbild von Morbach. Auf der Abbildung sind erste Konturen der Entwicklung Morbachs zu erkennen.

Morbach. Die abgebildete Ansichtskarte zeigt Morbach im Jahr 1911 und ist aus der Vogelperspektive gezeichnet.

Deutlich ist der damalige Ortskern rund um die Kirche herausgearbeitet. Eine erste Bebauung zeigt sich entlang der heutigen Bernkasteler Straße. Am linken Bildrand ist an der Bischofsdhroner Straße der Friedhof zu erkennen.

Auf der Karte ist die künftige Entwicklung Morbachs zu erahnen. Rund um den Bahnhof stehen bereits mehrere Häuser, die über die Bahnhofstraße mit dem Ortskern verbunden sind. Entlang dieses Straßenverlaufs sind ebenfalls erste Häuser errichtet worden.

Noch keine Spur ist von den Sägewerken und anderen Industrieunternehmen zu erkennen, die heute das Morbacher Ortsbild prägen.

Die Postkarte stammt aus dem Fundus der Arbeitsgruppe "Morbacher Chronik". Das Original ist im Eigentum eines Homburger Ansichtskartensammlers. Offenbar sollte die Karte dem Empfänger als Wegweiser dienen. Handschriftlich ist auf dem Rand links die Bezeichnung "Bahnhof" und rechts der Vermerk "nach Elzerath" mit einem Pfeil hinzugefügt worden.

Warum der, beziehungsweise die Schreiber auf Elzerath hinweisen, ist unklar. Schreiber der Karte waren nämlich die drei Kinder von Julius Thyssen, dem Neffen von August Thyssen, der den gleichnamigen Stahlkonzern gründete und die sich nach Auskunft von Dr. Manfred Rasch vom Konzern-Archiv ThyssenKrupp im Sommer 1917 in Merscheid aufhielten.

Von dort stammte Mathilde Buch, die damals als Kindermädchen bei der Familie Thyssen arbeitete. Offenbar hatte es den Kindern, die im Schatten der Stahlwerke aufgewachsen waren, in Merscheid gefallen. Sie berichten ihrer Mutter von einem "viel blaueren Himmel" als in Duisburg, leckeren Pflaumen sowie der Getreideernte.

Gezeichnet hat die Ansichtskarte der Tübinger Maler Johann Dreyschütz.

Der Stuttgarter Postkartensammler Gerhard Stumpp hat sich intensiv mit dem Werk von Dreyschütz auseinandergesetzt und 2007 in Tübingen eine Dreyschütz-Ausstellung organisiert. Laut Stumpp wurde Dreyschütz als gelernter Lithograph mit dem Beginn der Fotografie arbeitslos und begab sich auf Wanderschaft.

Seinen Unterhalt verdiente er damit, auf den Stationen der Wanderung Sehenswürdigkeiten, Gasthäuser Hotels, Fabriken sowie Landschaften und anderes Sehenswertes zu zeichnen und diese Zeichnungen Ansichtskartenverlagen als Vorlagen anzubieten. So besuchte er 1911 sowohl Morbach als auch Traben-Trarbach.

Ansichten aus der Vogelschau waren die besondere Spezialität des Künstlers. Die Luftbildfotografie steckte damals noch in den Anfängen und war äußerst aufwendig. Zudem konnte Dreyschütz bei seinen Zeichnungen auf die Interessen und Wünsche seiner Auftraggeber eingehen und einzelne Details hervorheben.

Ob das der Grund ist, dass der Künstler gleich zwei Züge auf die eingleisige Bahnstrecke im Hintergrund schickte? Demnach war der heutige Wunsch der Hunsrücker Lokalpolitiker und Betriebe nach einem regen Zugverkehr auf der Hunsrückstrecke schon 1911 topaktuell.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort