Zwischen Supermarktkasse und Mumien

Klausen · Ann-Katrin Gill ist schon von klein auf von der Kultur und der Religion des alten Ägypten fasziniert. Inzwischen hat sie in Oxford studiert, einen Masterabschluss in Ägyptologie und kann für ihre Doktorarbeit einen Papyrus aus dem Britischen Museum übersetzen. Um ihre wissenschaftliche Arbeit zu finanzieren, arbeitet sie zurzeit an der Supermarktkasse.

 Von Statuen und Büchern über Ägypten ist Ann-Katrin Gill, die in Oxford studiert, in ihrem Arbeitszimmer bei ihren Eltern umringt.TV-Foto: Christina Bents

Von Statuen und Büchern über Ägypten ist Ann-Katrin Gill, die in Oxford studiert, in ihrem Arbeitszimmer bei ihren Eltern umringt.TV-Foto: Christina Bents

Klausen. "Ich habe ein glückliches Händchen in alten Sprachen, aber ich bin nicht außergewöhnlich schlau", so beschreibt sich die 25 Jahre alte Ann-Katrin Gill aus Klausen selbst. Ein bisschen anders sehen das ihre Mitmenschen, denn es ist schon außergewöhnlich, was sie in ihrem Alter bereits erreicht hat. Unter anderem: ein Abitur mit der Note eins im Hauptfach Physik, ein Studium in Oxford, und sie hat eine Doktorandenstelle in Ägyptologie an der Uni Trier in Zusammenarbeit mit dem britischen Museum und der Universität Oxford inne. Zudem hat sie im ägyptischen Museum in Berlin Papyri gereinigt und bei Ausgrabungen in Mittelägypten geholfen.
MENSCHEN GANZ NAH



Aber der Reihe nach. Als Ann-Kathrin Gill von ihrer Mutter mit zwölf Jahren ein Buch über Ägypten geschenkt bekam, war sie von der Kultur und der Sprache fasziniert. Es hat sie nicht mehr losgelassen. "Wenn ich mal groß bin, gehe ich Mumien ausgraben", hat sie schon sehr früh verkündet. Ihr Vater, ein Uhrmacher, hat ihr das lange nicht geglaubt. "Er dachte, dass ich Physik studiere und mein Interesse an Ägypten nach einer Zeit wieder nachlässt", erzählt Ann-Katrin Gill.
Doch als sie den Masterabschluss in dem Fach erhielt und obendrein ein Stipendium an der Eliteuniversität Oxford, glaubte auch er, dass es ihr ernst ist mit der Ägyptologie.
Zu dem Studium in Oxford ist sie durch ihren Dozenten Dr. Holger Kockelmann von der Uni Trier gekommen. Der hat in Oxford studiert und den ersten Kontakt hergestellt. Aber dann war die Klausenerin auf sich gestellt. "Ich musste verschiedene Essays schreiben, meine Zeugnisse, Studiennachweise und einen Englischsprachtest nachweisen."
In Oxford hat sich die zurückhaltende dunkelhaarige Frau, die noch eine Zwillingsschwester und eine ältere Schwester hat, sehr wohl gefühlt.
"Ich habe mich dort nicht ausgegrenzt gefühlt. Es studieren dort zwar sehr viele Reiche und Berühmte, beispielsweise habe ich Emma Watson in Oxford getroffen, aber das merkt man ihnen nicht an. Und letztlich zählt in Oxford nur eines, und zwar Leistung." Die wurde in Essays und Prüfungen immer wieder abgefragt, "aber es gab sehr gute Unterstützung durch das Lehrpersonal und eine tolle Bibliothek, die zu Recht zu den schönsten und wertvollsten der Welt gehört", schwärmt Gill.
Neben dem Studium, das jeden Montagmorgen um neun Uhr begann und am Samstagnachmittag um 17 Uhr endete, blieb nur wenig Freizeit. Am Freitagabend ging es in den Pub, zudem erlernte sie schottischem Volkstanz. Um in Oxford zu studieren, muss ein Student mindestens 17 000 Pfund gespart haben. Das hat Gill mit persönlichen Ersparnissen und dem Stipendiumsnachweis erfüllen können.
Das Stipendium des deutschen akademischen Austauschdienstes hat die Studiengebühren und ein Taschengeld bezahlt, dazu kam die Unterstützung ihrer Eltern. "Ohne meine Eltern hätte es nicht funktioniert, mit 700 Euro Stipendium kommt man in Oxford nicht weit, wenn die Miete schon 600 Euro kostet."
Momentan lebt Gill wieder in Klausen bei ihren Eltern, schreibt an der Uni Trier ihre Doktorarbeit über einen Papyrus, der einem Priester hohen Ranges als Grabbeigabe mitgegeben wurde, und leitet eine Übung für Studenten der Ägyptologie. Zusätzlich arbeitet sie an der Supermarktkasse. "Das ist für mich eine momentane Situation und auch in Ordnung."
Nach Abschluss ihrer Doktorarbeit möchte Gill habilitieren und später in einem Museum arbeiten oder eine Ausgrabungsstätte leiten.Extra

Im Wintersemester 2010/2011 studierten laut statistischem Bundesamt 2339 Abiturienten aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich. Die meisten von ihnen sind in Rheinland-Pfalz geblieben: 1419. 342 Abiturienten zog es nach Nordrhein-Westfalen, 194 nach Baden-Württemberg. Wenig Zulauf haben die neuen Bundesländer; nur vier Bernkastel-Wittlicher studieren in Sachsen-Anhalt, fünf in Mecklenburg-Vorpommern und acht in Thüringen. Über Studierende im Ausland konnte das Bundesamt keine Angaben machen, da diese Daten nicht vom Bundesamt erhoben werden. chb

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