60 Prozent Steigung ist kein Problem - Winzer baut Vollernter für die Steillage

Burg · Der Winzer und Lohnunternehmer Carsten Müller aus Burg an der Mosel hat keine Zeit, auf die Entwicklungsingenieure in der Industrie zu warten: Er hat innerhalb von sieben Monaten in seiner Garage eine Vollerntemaschine für Steillagen entwickelt. Seit September ist die Maschine im Dauereinsatz.

Burg. "60 Prozent Steigung schafft das Raupenfahrzeug mit Vollernter, wenn es einigermaßen trocken ist", erklärt Winzer und Lohnunternehmer Carsten Müller seine eigene Erfindung mit dem Namen "RV 3,5". Der Name, den der Garagentüftler aus Burg seinem Prototypen gab, steht für: Raupenvollernter mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 3,5 Kilometern in der Stunde.
Seit dem 9. September sind zwei Mitarbeiter seines Lohnunternehmens mit der Ernteraupe ständig im Einsatz. Müllers Kunden, Winzer zwischen Enkirch und Bullay, mieten die Maschine samt Personal für 1800 Euro pro Hektar.
"Die Winzer sind von der Raupe absolut begeistert", sagt Müller. In der Zeit, in der ein Mensch einen Weinstock ernte, erledige die Raupe eine ganze Reihe.Raupe hängt am Seil


Müller ist kein Ingenieur, sondern Winzer und Lohnunternehmer: Er verleiht seine Vollernter und Maschinen. Nach der Weinlese im vergangenen Jahr zog sich der 40-Jährige für sieben Monate in seine Garage zurück, um dort an einer Vollerntemaschine für Steillagen zu tüfteln. "Ich hatte die Ingenieure verschiedener Firmen darauf angesprochen, ob sie so etwas nicht entwickeln können", sagt Müller. Doch als Antwort habe er immer wieder den Satz "Da haben wir keine Ahnung von" zu hören bekommen. "Kein Wunder", sagt Müller, "denn ein Studium ersetzt die Praxis nicht."
Er selbst habe bei der Arbeit im Weinberg immer überlegt, wie er die Maschinen verbessern könne. "Vollernter, die auf Reifen fahren, schaffen maximal 40 Prozent Steigung", sagt Müller. Daher sei die maschinelle Ernte in Steillagen bislang nicht möglich gewesen.
In seiner Garage installierte Müller deshalb Teile eines ausgedienten Vollernters, der auf Reifen fährt, auf einer Raupe. Solche Kettenfahrzeuge nutzen Winzer in steilen Weinlagen üblicherweise, um Arbeitsgeräte und Lasten zu transportieren. "Ich musste viel Metall mit dem Winkelschleifer auseinanderschneiden und wieder zusammenschweißen."
Das so entstandene Kettenfahrzeug fährt zwischen den Weinstöcken und schüttelt die Beeren von den Reben. Luftdruck pustet die Beeren auf ein Förderband, das sie in einen 800 Liter großen Vorratsbehälter in der Raupe transportiert. Das Fahrzeug ist über ein Metallseil mit einem Schlepper, der oberhalb im Weinberg positioniert ist, verbunden. Um Schäden im Weinberg zu vermeiden, sagt Müller, werde die Raupe bei der Bergfahrt unterstützend über eine Seilwinde angezogen.
Zwar seien mittlerweile auch andere mit der Entwicklung eines Vollernters für den Steilhang beschäftigt, sagt Müller. Doch im Gegensatz zu den Prototypen der Konkurrenz sei seine Maschine seit dem 9. September bereits im harten Dauereinsatz - und das fehlerfrei, erklärt der Garagentüftler.Garagentüftler sucht Profis


Michael Wirtz, Außenbetriebsleiter im Weingut Albert Kallfelz in Zell (Landkreis Cochem-Zell), hat Müllers Prototypen getestet. Er hat die Raupe drei Hektar in Steillagen zwischen 40 und 50 Prozent Steigung lesen lassen. "Ich war total überrascht, wie sauber die Maschine arbeitet. Die Raupe ist eine enorme Arbeitserleichterung", sagt der Weinbau-Experte.
Damit seine Erfindung in die Serienproduktion gehen kann, sucht Müller eine kompetente Firma, die ihn bei der Produktion unterstützt. Der Bedarf an Mosel und Rhein sei groß, sagt Müller. "Ein Drittel der Weinlagen befindet sich im Steigungsbereich zwischen 40 und 60 Prozent." Außerdem habe er schon Pläne im Kopf, wie sich die Ernteraupe zum Beispiel durch eine Gewichtsreduktion noch weiter verbessern lasse.Extra

Anfang Oktober hat auch die Firma Hoffmann Landmaschinen aus Piesport den ersten Prototypen einer Ernteraupe für Steillagen präsentiert. Das Kettenfahrzeug kann laut Hersteller in Lagen mit bis zu 75 Prozent Steigung eingesetzt werden. Die Entwicklung der Maschine ist vom Europäischen Fonds für die regionale Entwicklung mit 192 000 Euro gefördert worden. cmo

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