Bomben im "Päädchen"

Ich war zu dieser Zeit gerade 20 Jahre (Jahrgang 1924), wohnte zu Hause in Wittlich bei meinen Eltern mit meinen beiden älteren Schwestern. Beide leben heute nicht mehr. Wir bewohnten ein Haus, das heute nicht mehr da ist. Es lag in der Feldstraße. Heute sind dort ein Parkplatz und der Platz an der Lieser. Es lag ungefähr gegenüber dem heutigen Eingang zum Geschäft der Buchhandlung Nels in der Feldstraße.Am 24. Dezember 1944 waren alle schon früh auf den Beinen. Gegen 10 Uhr hatten wir uns fertig gemacht zum Weggehen. Wir wollten alle zum Splittergraben im Garten Roth (den Wittlichern besser bekannt als "Buzaarts Goarden"), um dort eventuelle Angriffe zu überstehen. Heute ist dort der Parkplatz Rommelsbach.Meine Mutter und meine Schwester Anna blieben zuerst noch im Haus. Sie gingen auf den Speicher. Als sie in der Ferne Markierungen ("Christbäume") sahen, liefen sie eiligst aus dem Haus durch "Meilens Päädchen" zum Splittergraben. Da fielen auch schon die ersten Bomben. Sie warfen sich im "Päädchen" zu Boden.Nachdem dieser erste Angriff vorbei war und sie sich erhoben, sah meine Schwester Anna ganz dicht neben sich einen glühenden Bombensplitter liegen. Da hatte sie wirklich einen guten Schutzengel gehabt!Bei einem weiteren Angriff gegen 15 Uhr wurde unser Haus voll getroffen. Gleich darauf fing es an zu schneien, und es war dadurch unmöglich, nach Habseligkeiten zu suchen oder noch brauchbare Sachen aus den Trümmern zu bergen. In der Eile hatte ich vergessen, nachdem der erste Fliegeralarm da war, mein schönes Armband mitzunehmen. Es verschwand unwiederbringlich in den Trümmern. Glück im Unglück: Unsere fünf Kaninchen im Hof lebten noch.Der morgens um 5 Uhr bei der Bäckerei Lequen in der Himmeroder Straße aufgebackene Streusel und der Käsekuchen für die Weihnachten waren dahin. An dem Käsekuchen, der vor der Türe lag, labten sich die Ziegen des Nachbarn Nels. Mein Wintermantel hing an der Stromoberleitung. Durch die Bombenexplosion war er dorthin geschleudert worden.Drei Monate im Bunker in der Schweiz gelebt

 Soldaten der 76. Infanterie marschieren nach der Einnahme von Hupperath auf Wittlich zu. Die Aufnahme wurde am 10. März 1945 gemacht.Foto: US-Army/freundlicherweise von Kreisarchiv zur Verfügung gestellt

Soldaten der 76. Infanterie marschieren nach der Einnahme von Hupperath auf Wittlich zu. Die Aufnahme wurde am 10. März 1945 gemacht.Foto: US-Army/freundlicherweise von Kreisarchiv zur Verfügung gestellt

Nachdem der Angriff vorüber war und wir mit unseren Eltern zurück gingen und das ganze Ausmaß der Zerstörung sehen konnten, kamen drei SA-Leute in Uniform an unserer ehemaligen Wohnung vorbei. Wutentbrannt schrie meine Mutter ihnen entgegen: "Da kommen die Lumpen, die dafür verantwortlich sind, dass wir jetzt vor dem Nichts stehen!" Diese aber reagierten Gott sei Dank nicht, denn solche Äußerungen waren zu der Zeit ziemlich riskant.Da unsere Familie nun keine Bleibe mehr hatte, wohnten beziehungsweise schliefen wir für circa drei Monate im Bunker in der Schweiz. Zum Kochen durften wir in Brandts Gartenhäuschen in der Ohling einen alten Herd benutzen (Haushaltswaren Brandt, ehemaliges Geschäft in der Burgstraße). Das Essen, meistens eine Suppe, nahmen wir mit in den Bunker, um es dort zu verspeisen. Einmal passierte es, dass wir auf dem Weg dorthin von Jabos beschossen wurden. Wir warfen uns flach auf die Erde und der Topf mit der Suppe fiel hin und die ganze Mahlzeit war verloren.Es war schon eine traurige Weihnacht 1944. Kein Dach über dem Kopf, nur das, was man anhatte, war einem geblieben. Alle Habseligkeiten lagen unter den Trümmern. Kälte, Hunger und Trostlosigkeit waren alltäglich zugegen. Man kann nur hoffen, dass sich so etwas nie mehr wiederholt. Und wenn leider auch noch heute, in vielen Teilen der Welt Krieg herrscht, so können diejenigen, die einen Krieg erlebt haben, mit diesen armen Menschen mitfühlen. ZUR PERSON:Elisabeth Friedrich, geborene Dohm, lebt noch heute in Wittlich.Einen weiteren Erlebnisbericht über den Kriegswinter 1944/45 lesen Sie heute aufSEITE 9

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