"Da baut euch halt ein Zelt"

HETZERATH. Zum 80. Geburtstag von Maria Ewertz gibt es Kommunionsessen. Die zwölffache Mutter kann es selbst kaum glauben, dass sie so alt geworden und so gesund geblieben ist.

 Immer noch heißt es Strümpfe stricken für zwölf Kinder, 16 Enkel und acht Urenkel: Maria Ewertz wird am Sonntag stolze 80 Jahre alt. Foto: Petra Geisbüsch

Immer noch heißt es Strümpfe stricken für zwölf Kinder, 16 Enkel und acht Urenkel: Maria Ewertz wird am Sonntag stolze 80 Jahre alt. Foto: Petra Geisbüsch

Als sie im Januar 1969 nach der Geburt ihres Kindes aus dem Krankenhaus entlassen wurde, sagten ihr die Ärzte: "Sie dürfen zwar nach Hause, aber nicht mehr zum Arbeiten, nur noch zum Delegieren." Ein Ding der Unmöglichkeit für Maria Ewertz: Der da zur Welt gekommen war, hieß Jörg und war ihr zwölftes Kind. Geld hatten sie immer zu wenig, Platz und Zeit sowieso. Dennoch ist dieser Mutter offenbar das größte Kunststück gelungen: Ihren Kindern Liebe, Vertrauen und Geborgenheit mitzugeben, und zwar jedem einzelnen. "Ich bin das zehnte Wunschkind meiner Eltern", hatte Irene einst in einem Lebenslauf geschrieben. Nun ja, die Mutter hat sie in diesem Glauben gelassen, obwohl sie weiß: "Das glaubt mir ja kein Mensch, wenn ich sage, ich habe zwölf Wunschkinder." Im Rückblick spielen diese "Feinheiten" ohnehin keine Rolle mehr. Sie sind da, sie hat sie alle angenommen, und jedes hat seine eigene Geschichte. Das erste noch ohne Ehemann. Welch ein Skandal 1947! Sie haben sich dennoch gekriegt, die Eltern von Tochter Nummer eins. Manchmal will gut Ding eben Weile haben. Alle Kleider im Topf gewaschen

Wenn Maria Ewertz aus ihrem langen Leben berichtet, klingt das weder beschönigend noch dramatisierend. Stoff für einen Film liefern die Geschichten von viel zu kleinen Wohnungen, von den Zeiten ohne Telefon, geschweige denn Seelsorgetelefon, ohne Zentralheizung und Waschmaschine. Bis einschließlich Kind Nummer acht hat sie die Kleidung aller Familienmitglieder - einschließlich die der Eltern - im Topf auf dem Herd gewaschen. Schlimm war es bei Schnee und Dauerregen, wenn alle nass nach Hause kamen. In der ersten Bleibe mit Küche und einem Schlafzimmer wohnten sie bis Rita, Kind Nummer fünf, zur Welt kam. Als sie mit ihrem sechsten Kind schwanger wurde, gab der Bürgermeister ihnen die alte Schule. Diesmal bewohnte die Familie zwei Schlafzimmer und eine Küche, später bekamen sie großzügig den Raum dazu, in dem zuvor Säcke mit Gift gegen Kartoffel- und Maikäfer gelagert worden waren. Die Wohnung darüber stand leer - die bekamen sie nicht. Auch früher sei man nicht eben kinderfreundlich gewesen. Das ist jedenfalls die Erfahrung von Maria Ewertz. Und wer wüsste es besser als sie? Auf der Suche nach einer neuen Bleibe hörte sie Sätze wie "Da baut euch halt ein Zelt!" Wenn es zu dick kam, ging sie nachts zum Grab der Eltern, um Trost zu suchen. Sie fand ihn bei ihrem Herrgott und bei der Gottesmutter. Und bei dem kleinen Satz vom Lichtlein, das immer von irgendwo herkommt, wenn man glaubt, es gehe nicht mehr. So wie damals, als sie mit inzwischen elf Kindern aus der alten Schule raus mussten. 3000 Mark fehlten, um das Grundstück kaufen zu können. Ein Kollege ihres Mannes Walter bürgte - der Grundstock für das eigene Heim war endlich gelegt. Zuvor hieß es noch einmal Speiß machen und dutzendweise Schubkarren bis ins Obergeschoss schaffen. "Am 1. Oktober 1966 zogen wir hier ein." Daten vergisst sie nicht. Immer noch weiß sie die Geburtstage von sämtlichen Familienmitgliedern aus dem Effeff. Nicht schlecht für die alte Dame, die am Sonntag ihren 80. Geburtstag feiern darf. Zwölf Kinder, 16 Enkel und acht Urenkel werden fast vollständig anrücken, dazu Schwiegertöchter und -söhne, Freunde und der ehemalige Hetzerather Pfarrer. Dass Edwin Prim Zeit für sie findet, freut sie besonders. Und es wird - ganz anders als in der kargen Zeit - am Geburtstag "Kommunionsessen" geben.

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