Der tödliche Schatten eines Tages

Ein exemplarisches Einzelschicksal: "David Dublon zum Gedenken" nennt der Wittlicher Franz-Josef Schmit seine Zusammenfassung der Auswirkungen des 9. November 1938 auf das Leben Dublons in der Nazizeit.

Wittlich. Wenn auch in diesem Jahr der deutschen Juden gedacht wird, die Opfer der Barbarei der sogenannten Reichskristallnacht vom 9. November 1938, bleiben bisweilen die Frauen, Männer und Kinder unerwähnt, die an den Folgen von KZ-Einweisungen, Misshandlungen oder auch selbst gewähltem Tod ihr Leben verloren haben.

In diesem Sinne soll hier an den jüdischen Lehrer und Kantor David Dublon erinnert werden. David Dublon wurde 1866 als fünftes von sieben Kindern des Metzgers Salomon Dublon und seiner Frau Regina Mayer in der Himmeroderstraße 22 in Wittlich geboren. Nach dem Besuch der jüdischen Elementarschule und der Höheren Stadtschule ließ Dublon sich in Münster am renommierten Seminar der "Alexander-Haindorf-Stiftung" zum Lehrer ausbilden. Eine solche Ausbildung war damals keineswegs vorgeschrieben. Der Lehrerberuf stand bei Juden zwar in einem gewissen Ansehen, galt aber trotz vieler Nebenverpflichtungen in der Gemeinde als Prediger und Schächter als wenig geeignet zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Nach kurzer Tätigkeit in Kirchberg/Hunsrück wirkte David Dublon seit 1888 in Dülmen in der lediglich 72 Juden zählenden Gemeinde bis zu seiner Pensionierung 1916 als Lehrer und Kantor der liberalen Gemeinde. Ein Zeitzeuge erinnert sich, nach dem Sabbatgottesdienst hätten die Männer immer vor der Synagoge gestanden und geraucht: "Auch der Lehrer Dublon war dabei!" Ehrenamtlich leitete Dublon mehr als 40 Jahre zwei Gesangvereine, mit denen er bei verschiedenen Wettbewerben erfolgreich war.

Nicht von den Übergriffen verschont

 Die Kennkarte von David Dublons Tochter Grete, die mit ihrem Mann im Sommer 1939 Deutschland verlassen konnte. Fotos: privat

Die Kennkarte von David Dublons Tochter Grete, die mit ihrem Mann im Sommer 1939 Deutschland verlassen konnte. Fotos: privat

 Die Inschrift eines Mahnmals im westfälischen Dülmen erinnert an Paula Dublon, die in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde.

Die Inschrift eines Mahnmals im westfälischen Dülmen erinnert an Paula Dublon, die in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde.



Bereits Ende 1933 musste er im Zuge der "Gleichschaltung" als Nicht-Arier seinen Dirigentenstab aus der Hand legen - selbst der Name des MGV "Loreley" hatte den Unmut der neuen Machthaber erregt. In einer jüdischen Zeitung war 1936 zu Dublons 70. Geburtstag über ihn und seine Frau zu lesen: "Dublon war seinen Schutzbefohlenen immer ein zuverlässiger Führer, und auch heute noch bilden er und seine feingeistige Gattin den Mittelpunkt der Gemeinde. Die Kunst ist beiden holde Begleiterin durchs Leben gewesen, und was an musikalischer Kultur in dem kleinen westfälischen Städtchen reifte, war zu einem Teil das Werk von David Dublon."

In der Pogromnacht brannte die Dülmener Synagoge unter der Aufsicht der örtlichen Feuerwehr ab. Wie vielerorts vermerkt der NSDAP-Bericht später: "Ein überflüssiges Gebäude ist niedergebrannt." Den Suizid eines jüdischen Geschäftsmannes kommentiert der Bericht äußerst zynisch: "Er hat sich am 13.11.1938 in der Schutzhaft selbst geschächtet." Auch der angesehene Chorleiter Dülmens, David Dublon, blieb nicht von den Übergriffen des Nazi-Mobs verschont. David Dublon, der neben der Synagoge im ersten Stock eine Dienstwohnung bewohnte, wurde die Treppe hinuntergestürzt und schwer verletzt. Davon sollte sich der alte Mann nicht mehr erholen. Im Juni 1939 wurde er in die St. Paulus-Heilanstalt, heute "Schumann-Haus", in Bonn-Endenich eingeliefert, wo er unter noch nicht ganz geklärten Umständen bereits am 6. Juli verstarb. Die Sterbeurkunde nennt als Todesursache: "manisch-depressives Irresein".

Wenige Tage später erfolgte die Beisetzung auf dem jüdischen Friedhof in Bonn (Römerstraße). Ein schlichter, flach liegender Stein ohne Daten lässt kaum noch den Namen erkennen. Paula Dublon, seine Ehefrau, wurde Ende 1939 in Dülmen abgemeldet und ist in Auschwitz-Birkenau ermordet worden. Die einzige Tochter Grete konnte mit ihrem Mann, einem Geschäftsmann aus Oberhausen, im Sommer 1939 noch rechtzeitig Deutschland verlassen.

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