Die ganze Weinwelt soll aufschreien

Die Gegner der im Bau befindlichen Hochmoselbrücke bei Ürzig sehen einen letzten Hoffnungsschimmer. Mit den bekannten englischen Weinautoren Stuart Pigott und Hugh Johnson haben sie einflussreiche Mitstreiter bekommen. Und ebenso bekannte Top-Winzer der Mittelmosel wollen das gigantische Projekt doch noch in letzter Sekunde verhindern.

Ürzig. Stuart Pigott und Hugh Johnson sind verärgert. Mehr noch: Sie sind bestürzt. Die beiden international renommierten englischen Weinautoren können nicht begreifen, dass mitten im Weinanbaugebiet Mosel eine gigantische Brücke den Fluss überqueren soll. Die Mosel werde "schrecklichen Schaden erleiden", das Projekt werde die Unversehrtheit und Schönheit dieser einzigartigen Kulturlandschaft zerstören.

Am Freitagmittag hat Hugh Johnson am geplanten Brückenkopf hoch über Ürzig eine Protesterklärung verlesen (der TV berichtete). Am Abend des gleichen Tages trafen sie sich im Weingut Mönchhof in Ürzig mit den Mittelmosel-Topwinzern Willi Schaefer, Graach, Christoffel Erben, Ürzig, Markus Molitor, Wehlen, Rudolf Trossen, Kinheim, Ernst Loosen, Bernkastel-Kues, Manfred Prüm, Wehlen, Johannes Schmitz, Ürzig und Robert Eymael, Ürzig, zum "Last Chance Wine Forum".

Die Mienen der beiden Weinkritiker hellten sich nach dem Genuss von 20 hochkarätigen Rieslingweinen und Kürbissüppchen mit Kokos-Curryschaum sowie Eifeler Rinderfilet auf Petersilienwurzelgemüse wieder auf. Sie schwärmen von solchen Weinen in höchsten Tönen, befürchten aber, dass ein Teil der Weinberge, die solche edlen Tropfen hervorbringen, durch den Brückenbau schweren Schaden nehmen werden.

Der aus dem Ruhrgebiet stammende Knut Aufermann und seine Lebensgefährtin, die Engländerin Sarah Washington, leben seit eineinhalb Jahren in Ürzig. Die beiden Künstler haben das "Last Chance Wine Forum", unterstützt von der "Aktionsgemeinschaft Eifel Mosel Hunsrück in Bewegung" initiiert. Pigott und Johnson haben sie am vergangenen Wochenende an die Mosel geholt, ebenso Harry Eyres, Kolumnist der Financial Times in London und Rebecca Gibb, die für die international renommierte Weinfachzeitschrift "Decanter" schreibt.

Heide Weidemann war da, die für den Bund für Umwelt und Naturschutz vergeblich gegen die Brücke vor Gericht zog, ebenso Jutta Blatzheim-Roegler von Bündnis 90/Die Grünen.

Knut Aufermann sieht trotz des Baubeginns immer noch eine kleine Chance, die Brücke zu verhindern. Im Gespräch mit dem TV erinnert er an die Gerichtsentscheidung vor wenigen Tagen, das den Weiterbau des Kohlekraftwerks in Datteln untersagte.

Winzer Ernst Loosen erinnert an eine geplante Autobahn, die mitten durch das Herzstück des Bordeaux-Weinbaugebietes führen sollte. Loosen: "Die Pläne waren fertig, aber erst als die ganze Welt aufschrie, konnte das Projekt verhindert werden. Und so könnte die Moselbrücke doch noch gestoppt werden, glauben Loosen und seine Mitstreiter. Im Bordeaux habe eine lokale Initiative die Proteste in die ganze Welt getragen. Jetzt bekomme auch der Protest an der Mosel eine internationale Dimension.

Meinung

Zu später Protest mit Wirkung

Ist die Hochmoselbrücke noch zu verhindern? Wohl kaum. Die Gegner hoffen es dennoch, obwohl das Projekt bereits im Bau ist. Und sie sagen sich: Wenn die Moselaner schon selbst nicht willens sind, die Brücke zu verhindern, dann muss der Protest in die ganze Welt getragen werden. Darin sehen sie ihre letzte Chance. Sicher ist: Hugh Johnson und Stuart Pigott haben sich bereits und werden sich weiter zu der Brücke äußern. Und was sie schreiben, hat in der Weltwein-Szene sehr großes Gewicht. Pigott schreibt: "Die Mosel wird durch den Hochmoselübergang schrecklichen Schaden erleiden." D i e M o s e l. Eine Brücke "zerstört" also eine ganze Kulturlandschaft. Das ist eine griffige Aussage. Und sie hat Wirkung im In- und Ausland. Man kann durchaus die Meinung vertreten, dass das Landschaftsbild bei Ürzig/Erden/Rachtig verschandelt wird und dass die Wasserversorgung berühmter Weinberge leiden wird. Doch ist mit der Brücke wirklich die Kulturlandschaft Mosel in ihrer Gesamtheit in Gefahr? Dieser Eindruck sollte bei den Moselfreunden in aller Welt nicht entstehen. w.simon@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort