Die Kunden stehen Schlange

ERDEN. Die Post rationalisiert weiter. 450 Filialen sollen Mitte des Jahres geschlossen werden - auch die in Erden. Deren Betreiber verstehen die Welt nicht mehr.

 So viel Kundschaft begrüßen Erni und Herbert Weber oft - allerdings nicht in so geballter Form. Die beiden freuen sich, dass die Bürger aus Erden und den Nachbarorten ihre Solidarität zeigen.Foto: Clemens Beckmann

So viel Kundschaft begrüßen Erni und Herbert Weber oft - allerdings nicht in so geballter Form. Die beiden freuen sich, dass die Bürger aus Erden und den Nachbarorten ihre Solidarität zeigen.Foto: Clemens Beckmann

Erni und Herbert Weber hatten sich alles so schön vorgestellt. Sie wollten am 19. August dieses Jahres groß feiern: 100 Jahre Post in Erden, 100 Jahre Post in der Familie Jakoby. "Wir haben sogar darüber nachgedacht, für dieses Jubiläum einen Sonderstempel fertigen zu lassen", erzählt Herbert Weber. So wie es derzeit aussieht, wird die ehemalige Kaiserliche Postagentur des Nikolaus Jakoby diesen Tag nicht mehr erleben. Die Deutsche Post hat den "Partnervertrag" mit der "Partnerfiliale" der Webers zum 31. Juli 2005 gekündigt (TV vom 22./23. Januar). "Das trifft uns wie ein Schlag. Wir sind fassungslos", sagt Herbert Weber. Genau das hat er noch am gleichen Tag, an dem er das Kündigungsschreiben erhielt, der Post mitgeteilt.Bis zu 5000 Pakete gehen auf die ReiseWorüber er sich vehement aufregt: Die Post hat in der Pressemitteilung, mit der sie auch die Schließungen der Filialen in Brauneberg, Ürzig und Bausendorf mitteilt, von "unrentablen Filialen" gesprochen. Die Erdener Filiale schreibe aber schwarze Zahlen, sagt Weber. "Wir haben durchschnittlich 50 bis 70 Kunden pro Tag, zu Spitzenzeiten sind es 180." Allein 4000 bis 5000 Pakete gingen jährlich auf die Reise. Dem Angebot komme auch deshalb besondere Bedeutung bei, weil die Filiale immer mehr Zulauf aus den Orten bekomme, in denen Poststellen geschlossen wurden, wie Lösnich und Kinheim-Kindel. Die Gewerbetreibenden der Ürziger Mühle, die zu Zeltingen-Rachtig gehört, sind wichtige Kunden. Sehr viele Rachtiger kommen wegen der besseren Erreichbarkeit laut Weber lieber nach Erden, als die Filiale in Zeltingen aufzusuchen. "Wir versorgen 3000 Menschen", sagt er. Die von der Post vorgegebene Mindestzahl von 2000 Einwohnern für den Verbleib einer Filiale werde übertroffen. Die Post umgeht dieses Argument mit der Angabe, die Zahl gelte nur für ein "zusammenhängend bebautes Wohngebiet".Seit die Kündigung bekannt ist, herrscht in Erden und in den Nachbarorten Wallung. Innerhalb weniger Tage schrieben sich circa 450 Frauen und Männer auf einer Unterschriftenliste ein. Walter Scheer ist vor vier Jahren aus Duisburg nach Erden gezogen. "Auch wegen der Post", sagt er. "Ich habe seit über 50 Jahren ein Postscheckkonto". Wenn es bei der Schließung bleibt, wird dieser Zustand nicht mehr lange dauern. "Dann gibt es keinen Anlass mehr, bei der Post zu bleiben." In gleicher Weise äußern sich andere Kunden.Winzer Andreas Schmitges verschickt Kleinsendungen (bis 21 Flaschen) über die Postfiliale. "Bisher war die Post dabei für uns interessanter als andere Anbieter", sagt er. Sollte sie sich zurückziehen, werde er auf einen Paketdienst zurückgreifen. Edith Faber und Stefan Justen werden ihm folgen."Wenn wir so mit unseren Kunden umgehen würden, hätten wir keine mehr", sagt Winzerin Gertrud Koppelkamm aus Rachtig. Alle Befragten stellen die Serviceleistungen des Geschäfts heraus, das von 8 bis 19 Uhr (samstags von 8 bis 16 Uhr) geöffnet ist. Weitere Aspekte: problemlose Anfahrt und gute Parkmöglichkeit.Der Ärger bei den mehr als 40 Bürgern, die an diesem Morgen in die Filiale gekommen sind, ist groß. Stehen sie zu ihren Äußerungen, wird die Post viele Kunden und Sparer verlieren. "Es wird immer wieder gesagt, auf dem Dorf müsse das Leben erhalten werden. Und dann wird eine solche Filiale einfach wegradiert", schimpft Ortsbürgermeister Helmut Schmitz. Mittlerweile kämen das ganze Jahr Gäste in den weltberühmten Weinort. Das Geschäft der Webers, in dem es unter anderem auch Mode, Wolle, Zeitungen, Zeitschriften und Schreibwaren gibt und das auch das Verkehrsbüro beherbergt, sei ein Anlaufpunkt für Urlauber und Einheimische. Erni und Herbert Weber sind gerne für ihre Kunden da. Ob sie ihren Laden offen halten, wenn die Post an ihrer Kündigung festhält? "Das ist fraglich", sagt Herbert Weber. Immerhin mache die Pauschale, die die Post zahle, etwa die Hälfte des Umsatzes aus. Die Webers wollen kämpfen: "Wir hoffen, dass die Post die Kündigung wieder aufhebt." Unterstützung bekommen sie von Verbandsgemeindebürgermeister Ulf Hangert. Der hatte wegen der Schließung der Filiale in Wehlen (der TV berichtete) von einem "arroganten Verhalten" der Post gesprochen. Anfang März soll der angekündigte "Runde Tisch" stattfinden. An ihm soll auch ein Vertreter der Post Platz nehmen.-pf./ph

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