Wirtschaft Die Wirtschaftswunderjahre sind in Wittlich noch nicht vorbei

Wittlich · Derzeit entstehen in einer kleinen Seitenstraße des Industriegebiets Wengerohr-Süd gleich sieben Unternehmen gleichzeitig. Das Wachstum in der Wittlicher Senke hat topographische Grenzen.

Wer den Glauben an den wirtschaftlichen Aufschwung in diesem Land verloren hat, der sollte mal in die Wittlicher Straßburgstraße fahren. Denn die Szenerie im Industriegebiet Wengerohr wirkt im wahrsten Sinne des Wortes erbaulich. Überall wird gebaggert, gehämmert und gesägt, als wären die Wirtschaftswunderjahre der 1950er und 1960er Jahre noch nicht vorbei – in Wittlich sind sie das wohl auch noch nicht, beziehungsweise waren nur kurz unterbrochen.
Zeitgleich entstehen in der jüngst erschlossenen Straße im Industriegebiet derzeit sieben Gewerbe- und Handwerksbetriebe. Auf allen Grundstücken wird emsig gearbeitet und eine Halle nach der anderen hochgezogen. Ein Aufschwung nach dem sich andere Städte und Gemeinden wahrscheinlich die Finger lecken.

Der TV begibt sich mit Rainer Wener, dem Leiter der Wirtschaftsförderung der Wittlicher Stadtverwaltung, auf einen Spaziergang durch die Straßburgstraße im 100 Hektar großen und ausverkauften Industriegebiet Wengerohr Süd. Derzeit ist ein Rundgang bei dem Baustellenbetrieb dort allerdings nicht ganz ungefährlich, da dort ständig mächtige Baumaschinen und Kipplader unterwegs sind.

Wer allerdings Teil des Wittlicher Wirtschaftswunderlandes werden möchte, der muss auch liefern.

„Wer nicht bauen möchte, der muss sein Grundstück zurückgeben“, sagt Wener. Da die Nachfrage nach Gewerbegrundstücken so groß sei, könne sich die Stadt solch eine Bauverpflichtung leisten. Heißt: Mit dem Grundstückskauf verpflichten sich die Unternehmen spätestens nach 24 Monaten mit dem Bau anzufangen. Wener sagt: „Wir schauen aber jetzt auch nicht jeden Tag nach. So streng wird das nun auch nicht gehandhabt.“ Aufgrund der Regelung hätten bereits zwei Unternehmen ihre Grundstücke im Industriegebiet Wengerohr zurückgeben müssen. „Früher waren es 36 Monate.“ Grundstücksspekulationen mit Gewerbegrundstücken wird so jedenfalls ein Riegel vorgeschoben.

Eine weitere Regel besagt, „dass die Stadt dort nicht den Bau von Hallen für Vermietungen erlaubt“. Auch dafür sei der Standort zu begehrt, sagt Wener.

„Wer hier bauen will, der muss sich im Bauausschuss vorstellen. Wir verkaufen nicht an jeden, sondern wünschen Referenzen, damit das ein nachhaltiges Industrie- und Gewerbegebiet mit stabilen Unternehmen wird.“

Die Stadt kann sich solch eine Auslese erlauben, „weil die Grundstücke zweifach überplant und überzeichnet sind.“ Interessierte Käufer gibt es also nicht nur ausreichend, sondern im Überfluss.

„Aber schade daran ist, dass wir eigentlich gerne mehr Unternehmen die Möglichkeit zur Entwicklung geben würden. Gerade erst mussten wir zwei Firmen, die mehr als 100 Arbeitsplätze nach Wittlich bringen wollten, absagen“, so Wener.

Unter den Interessenten würde die Stadt zunächst den Einheimischen den Vorzug geben. „Die Bestandspflege hat Vorrang. Als Stadt sehen wir es als unsere Aufgabe, zunächst den heimischen Unternehmen die Möglichkeit zur Entwicklung zu bieten.“

Ursache Was all die Unternehmen nach Wittlich zieht, ist klar: „Lage, Lage, Lage“, sagt Wener. Insbesondere die Infrastruktur im Drehpunkt zwischen Eifel Mosel Hunsrück und den Autobahnen A 1 und A 60 machen den Standort so attraktiv. „Zum Baubeginn der B50-Neu und des Hochmoselübergangs, als die Leute wirklich gemerkt haben, dass es los geht, kam bei den Käufern so richtig Interesse auf.“

Zukunft Doch das Wittlicher Wirtschaftswunder unendlichen Wachstums wird eines Tages ein Ende finden, wenn die Stadt nicht mit der Erschließung weiterer Industrie- und Gewerbeflächen hinterherkommt. Im nächsten Jahr gehe es mit der Erschließung der Brüsselstraße erst mal in Wengerohr weiter. Dann kommen dort zu den bereits 35 neu angesiedelten Unternehmen neun weitere Gewerbebetriebe hinzu. Das mit rund zwölf Hektar geplante Industriegebiet-II-Nord in der Röntgenstraße ist ebenfalls schon vor seiner Erschließung ausverkauft.

Der Flächennutzungsplan gebe nun nichts mehr her, sagt Wener. „Deshalb ist die Frage: Wo wollen wir hin?“ Verwaltung und Stadtrat hätten zehn Flächen im Blick. „Vielleicht geht es in Richtung Lieser weiter. Wir würden die Erweiterung natürlich gerne an Wengerohr dranhängen.“ Doch durch ihre Topographie gebe die Wittlicher Senke nicht unendlich Gewerbefläche her, sagt Wener. „Außerdem wird es bei den Ausgleichsflächen knapp. Die Landwirte müssen ja auch noch arbeiten können.“

So wird das Wittlicher Wirtschaftswunder vielleicht eines Tages auf andere Ortschaften wie Landscheid, Binsfeld oder Hasborn überspringen. In der VG Bernkastel-Kues soll bei Maring-Noviand nahe der A 1 ein 75 Hektar großes interkommunales Gewerbegebiet entstehen (der TV berichtete). Damit fahren die Moselaner große Geschütze auf, um sich ihren Teil vom Kuchen, der relativen Nähe zu den Autobahnen und dem Hochmoselübergang, abzuschneiden.

Ob die Wittlicher die Entstehung eines größeren Gewerbegebiets im Moseltal wirklich fürchten müssen? Wohl kaum.

Denn mit der direkten Lage am Autobahnkreuz, der B 50-Neu und dem Hochmoselübergang haben die Wittlicher wohl weiterhin die besseren Karten in der Hand.

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