Ein Glücksgriff in den Abfallhaufen

Traben-Trarbach · In der Zeit von 1746 bis 1794 führte der Trabener Bürger Johann Marx Mitscher ein Tagebuch. Zwei Jahrhunderte später zieht Erika Klopp es aus dem Abfall und stellt fest, dass der Schreiber zu ihren Vorfahren gehörte. Noch heute fasziniert und bewegt, was er über fast fünf Jahrzehnte festgehalten hat.

 Erika Klopp freut sich noch heute über den Glücksgriff, den sie seinerzeit an der Mosel machte. In einem Abfallhaufen entdeckte sie das in den Jahren 1746 bis 1794 geführte Tagebuch ihres Vorfahren Johann Marx Mitscher. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Erika Klopp freut sich noch heute über den Glücksgriff, den sie seinerzeit an der Mosel machte. In einem Abfallhaufen entdeckte sie das in den Jahren 1746 bis 1794 geführte Tagebuch ihres Vorfahren Johann Marx Mitscher. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Traben-Trarbach. Anfang der 60er Jahre wird der Speicher des großelterlichen Hauses von Erika Klopp, der Aacherhof, geräumt. Die junge Frau lebt damals mit ihrer Familie in Waiblingen und ist zu Besuch an der Mosel. Zwei Lederbändchen lugen aus einem großen Abfallhaufen vor dem Haus; sie zieht sie vorsichtig heraus - und hält mit dem Tagebuch von Johann Marx Mitscher einen heimatgeschichtlichen Schatz in der Hand.
Am 19. Februar 1716 wird er geboren und erlernt den Beruf des Küfers. Mit 20 geht er in die Fremde, arbeitet in Worms, Neustadt und Zweibrücken und kehrt 1743 an die Mosel zurück. Über 85 Seiten hat er zunächst ein Rechenbuch mit allen Regeln für die Grundrechenarten angelegt, bevor er 1746 seine Tagebuchaufzeichnungen beginnt.
Am 12. Mai 1745 heiratet er die Tochter des "Hochfürstlichen Pfalz Birkenfeltischen Kellerey Küfers", Dorothea Elisabetha Thiel. Von 1746 bis 1761 schenkt sie ihm eine Tochter und fünf Söhne, deren erster Vorname stets Johann ist. Mitscher benennt alle Paten, und er hält die Predigttexte und Lieder von Hochzeit, Trauerfeiern und Festtagen in seinem Tagebuch fest.
Aber er berichtet auch über das Wetter: 1748 war "die Mosel den 4. Mertz zum dritten Mal zugefroren und den 11. Mertz hab ich noch ein Faß können auf dem Eis machen". Der Sommer wird heiß, "und in Summa alles was dieses Jahr gewachsen, ist wohl geraten und die Früchte, die so wohl an Bäumen als auch in dem Feld sind, so edel gewachsen, daß es kein Mensch gedenken kann", schreibt Mitscher. 1752, am Sonntag Laetare, sieht er am Nachmittag "eine feurige Kugel" am Himmel. Im ganzen Land wurde dieser Komet damals beobachtet. Mitscher schildert auch das verheerende Erdbeben, das am 12. Februar 1755 die Stadt Lissabon zerstörte. In Traben "ist in der zweyten Christnacht unter dem starken Wetterleuchten auch ein Erdbeben gewesen", und ein Jahr darauf, am 18. Februar 1756, bebte morgens um 8 Uhr die Erde erneut.
Mitscher erwähnt den Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) und bittet, "der liebe Gott wolle uns noch ferner vor solcher Kriegeslast bewahren". Am späten Abend des 30. Septembers 1761 bricht ein Großbrand in Trarbach aus. Binnen einer halben Stunde fallen 22 Wohnhäuser, drei Türme und ein herrschaftliches Haus mit Nebengebäuden den Flammen zum Opfer. Mitscher beklagt die Toten, darunter auch seinen Schwager.
1766 muss er seinen Sohn Johann Caspar nach kurzer Krankheit zu Grabe tragen, "8 Jahr, 5 Monath, 9 Tage" wurde er alt. Vier Jahre später stirbt seine Ehefrau mit 51 Jahren am "hitzigen Fleckenfieber". "Wenn ich an die Treue, Einigkeit, Freundschaft und Liebe gedenke, so wir über die 25 Jahr beysammen gehabt, so kann es ohne Wehmuth und Thränen nicht abgehen", schreibt Mitscher.
1781 berichtet er von der "Ruhrkrankheit", an der im September und Oktober "etliche 60 Menschen gestorben" sind. Er schreibt über die anhaltende Teuerung, Trockenheit, Hitzen und Hochwasser, das 1784 am Trabener Marktplatz stand "und zu Litzig auch 3 biß 4 Häuser" einstürzen ließ. Johann Marx Mitschers Aufzeichnungen enden 1794, vermutlich ist er in jenem Jahr mit 78 gestorben. Fünf seiner sechs Kinder leben damals noch und er hinterlässt vier Enkelsöhne, deren erster Vorname wiederum Johann ist.

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