Ein Haus der Erinnerungen

ENKIRCH. Kommt man in Enkirch die enge Weingasse hinunter, fällt einem ein ganz besonders schönes und imposantes, mehrgeschossiges Fachwerkhaus ins Auge. Dort leben Frieda und Erwin Gall. Frieda seit ihrer Geburt vor 80 Jahren und Erwin seit 58 Jahren, als beide heirateten. Frieda Gall hat ein Buch geschrieben - über ihr Leben in diesem Haus.

Mit wachen Augen und stets mit einem Lächeln im Gesicht erzählt Frieda Gall, geborene Krieger, von früher. "Ja, wir haben eigentlich ein ganz schönes Leben gehabt", sagt die 80-Jährige. Sie erhält ein zustimmendes Nicken von Ehemann Erwin. Beide bewohnen ein Haus, das viel erlebt hat.Ein Kirchturmuhrmacher baute das Haus

Frieda Gall, die in der Schule so gern Aufsätze schrieb, deren Talent aber nie auf einer höheren Schule gefördert wurde, hat im hohen Alter ihre Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Erinnerungen an ihre Kinder- und Jugendzeit, an den Krieg und an die Jahre, als es wieder aufwärts ging. Und immer steht das 1675 erbaute Fachwerkhaus im Mittelpunkt. Es muss damals schon sehr herrschaftlich auf manch neidischen Bürger gewirkt haben, denn der Erbauer, der Kirchturmuhrmacher Mathias Faller, ließ einen Spruch am Halbrunderker des Hauses anbringen, der lautet: "Wer da bauet an der Straßen, muss die Leute reden lassen. Es ist kein Meister in der Welt, der baue, dass es jedem gefällt."Originale werden wieder lebendig

Der Urgroßvater von Frieda Gall, von Beruf Schreinermeister, heiratete in das "Kriegersche Haus" ein. Seit 1816 war der Schreinerberuf fortlaufend in der Familie Krieger verankert gewesen, und ab der Einheirat am 4. Januar 1860 wurde in dem Haus getischlert. Das Schreibtalent von Frieda Gall erkennt man schnell, wenn man das 120 Seiten umfassende Büchlein, das zahlreiche alte Fotografien enthält, durchblättert. Liebevoll beschreibt sie ihre Kindheit, ihre Erlebnisse in der Schreinerei, in der Schule und im Alltag. Da werden Originale wieder lebendig - so auch der Karelonkel, den alle "Batsche" nannten, oder der Vetter ihrer Großmutter, der "Koche Philipp". Im Januar 1947 heirateten Erwin und Frieda Gall, beide führten zusammen einen Weinbaubetrieb. Erwin eignete sich zusätzlich ein Hobby an, das bald auch zu einem hübschen Nebenverdienst wurde. Er begann zu schnitzen - Truhen, Fassböden, Bilder und vieles andere. Im Innern des Hauses ist in jedem Raum zu erkennen, welche Kunstwerke in den vielen Jahren zusammengekommen sind. Zwei Söhne gingen aus der Ehe hervor, der ältere, gelernter Schreiner, wohnt samt Familie gleich nebenan, der andere hat sich als Grafiker in Berlin niedergelassen. Wenn Frieda Gall über die "gute alte Zeit" sinniert, spürt man ihre Liebe zum Heimatort, zu den Menschen und ihrem Haus. Heute sei vieles anders, sagt sie. "Ich denke die Menschen waren früher rücksichtsvoller, es gab nicht diese ausgeprägte Ellenbogen-Gesellschaft." Und gern erinnert sie sich daran, wie der Nachtwächter seine Runden drehte und ein Dorfpolizist für Ordnung sorgte. "Nachts war viel mehr Ruhe, das war schon irgendwie angenehmer."

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