"Ganz anders als im Film"

Traben-Trarbach · Die Menschen müssen aus der Vergangenheit lernen, um nicht noch einmal die gleichen Fehler zu machen. Das sagen die Schüler am Gymnasium Traben-Trarbach, nachdem Erika Rosenberg von ihrer Freundin Emilie Schindler erzählt hat - wer sie war, wie sie mit ihrem Mann Oskar 1200 Juden gerettet hat und was man von ihr lernen kann.

Traben-Trarbach. Das mit der ersten Stuhlreihe ist immer so eine Sache. In dieser Reihe sitzen Schüler nie gerne. Das ist auch am Gymnasium in Traben-Trarbach nicht anders. Immerhin drei haben sich hier ganz links in die erste Reihe getraut. Die zehn Stühle neben ihnen sind leer, nur auf einem liegt die schwarze Jacke von Erika Rosenberg. Mit einer Mischung aus Neugier und leichter Verlegenheit schauen die Schüler nach vorne auf die Frau mit dem dünnen blauen Schal, den schwarzen Turnschuhen und dem Mikrofon in der Hand.
Erika Rosenberg ist 1951 als Tochter deutscher Juden in Buenos Aires geboren. Ihre Familie war 1936 aus Deutschland geflohen, der Holocaust war in ihrer Familie ein Tabuthema. Ihr Vater starb bereits 1960 ihre Mutter starb 1990.
Danach begab sie sich selbst auf die Suche nach Antworten und lernte dabei 1990 Emilie Schindler kennen, die Frau von Oskar Schindler (1908-1974), der im Zweiten Weltkrieg 1200 Juden das Leben rettete.
Steven Spielberg drehte über dieses Thema 1993 den berühmten Film Schindlers Liste. Rosenberg und Emilie Schindler freundeten sich an, Emilie erzählte von ihrem Leben, Erika schrieb diese Erzählungen auf und verfasste ihre Biografie. Nun ist sie, wie vor einem Jahr, wieder in Traben-Trarbach, steht mit dem Mikrofon im Musiksaal und erzählt: "Die Zeit vergeht, aber die Erinnerungen an Menschen wie Emilie und Oskar Schindler bleiben."
Diese Erinnerungen beeindrucken auch die rund 80 Elft- und Zwölftklässler.
"Ich war schon bei ihrem Vortrag im vergangenen Jahr dabei. Und heute lerne ich noch einmal viel Neues", erzählt Jakob Dzeik. Die Schüler sind still, hören zu, nicken stumm und drehen die Köpfe wenn Rosenberg im Raum umher geht und etwas auf den aufgehängten Plakaten der Schindler-Ausstellung zeigt. Und sie fragen nach: "Warum hat Schindler den Juden geholfen?" "Wie war das mit dem Emaillewerk? "Haben die Juden bei den Schindlers gewohnt?"
So erzählt Rosenberg von Emilie Schindlers Kindheit in Mähren, ihrer Heirat mit dem Lebemann Oskar Schindler. Und sie erklärt, dass die beiden rund 1200 Juden als Gastarbeiter in ihrer Emaillefabrik beschäftigt und als "kriegswichtige Arbeiter" vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten beschützt haben. Davon gibt es mittlerweile keine Zeitzeugen mehr. Jerzy Gross, der letzte Überlebende der geretteten "Schindlerjuden", ist am 24. Juli dieses Jahres in Köln gestorben.
Auch über Steven Spielbergs Film haben die Schüler diskutiert. Sie lernen, dass Emilie Schindler weit mehr bei der Rettung der Juden geholfen hat als im Film dargestellt.
"Wir haben natürlich vor der Veranstaltung den Film geschaut. Dass es da diese Unterschiede zum Vortrag von Frau Rosenberg gibt, überrascht mich", erzählt Laura Gerhardt aus Traben-Trarbach. "Die Unterschiede sind ja teilweise schon sehr groß", ergänzt ihre Freundin Lotte Keßler.
Nach dem Vortrag und der Diskussionsrunde sind sich die Schüler sicher, nicht nur Geschichte gelernt, sondern erlebt zu haben.
Erika Rosenberg fasst es so zusammen: "Sie haben Geschichte außerhalb von Fakten gelernt. Und ich hoffe, sie nehmen aus diesem Morgen ein Stück Menschlichkeit mit."
Extra

Luca Ingrillini (15) aus Traben-Trarbach: "Es ist wichtig, jemanden wie Frau Rosenberg zu haben. Sie hat die Geschichte erlebt. Und dadurch lernen wir noch mal eine andere Sichtweise." Runa Gottke (16) aus Traben-Trarbach: "Ich beschäftige mich viel mit der deutschen Geschichte und war zum Beispiel auch schon in Dachau. Es ist gruselig, wie die Menschen damals gehandelt haben." Jakob Dzeik (17) aus Bullay: "Ich habe mir Notizen gemacht und gleiche das mit meinem eigenen Wissen über den Nationalsozialismus ab. Ich denke, dass die Schindlers dazu inspirieren, anderen zu helfen." mla

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