Hochwasser an der Mosel, Januar 2018 Das große Räumen
Bernkastel-Kues · Die Mosel überflutet Straßen und Keller. Die Anwohner bringen Inventar aus tiefergelegenen Räumen in Sicherheit.
Heinz Dieter Sieben hat so etwas noch nicht erlebt. Mit Stiefeln steht der gebürtige Neusser vor seinem Keller, bewegliche Sachen räumt er aus, die leeren Weinfässer hat er mit Stützen abgesichert. Wenn der Keller überflutet wird, müssen leere Weinfässer mit Wasser befüllt und mit Holzstäben abgestützt werden, damit sie nicht umhertreiben. Das wäre fatal. Ein ungesichertes, leeres Fass könnte durch den Wasserdruck sogar eine Decke sprengen.
Vor zwei Jahren haben der Neu-Moselaner und seine Lebensgefährtin Ann Tegtmeier das Haus im Reiler Unterdorf gekauft. Jetzt steht die braune Flut vor dem Gebäude.
„Ich war schon vorbereitet, die Nachbarn, die das alles kennen, haben mich gewarnt“, sagt Sieben. Er bleibt gelassen: „Solange nur der Keller absäuft, ist das kein großes Problem. Wenn aber die Mosel ins Erdgeschoss und in die Wohnräume kommt, wäre das eine kleine Katastrophe.“ Die Vorbesitzer des Hauses mussten bei den dramatischen Hochwasserereignissen 1993 und 1997 diese bittere Erfahrung machen. Die Moselstraße in Reil ist seit Donnerstagabend komplett überflutet. Die Anwohner räumen Keller und Garagen und bringen die beweglichen Sachen zu Bekannten ins Trockene.
Zwölf Kilometer moselaufwärts, in Kröv, hat der Winzer Michael Schmitt mit seinem Traktor einen großen Anhänger vor sein Anwesen gefahren. Die Reifen stehen bereits im Wasser. Viele packen mit an, Sohn Jan und dessen Freunde tragen Mobiliar aus der Weinprobierstube ins Freie und wuchten die schweren Teile auf den Anhänger. Auch dicke Holzbalken sind dabei. „Wir wollten eigentlich damit beginnen, unseren Wagen für den Fastnachtsumzug zu bauen“, sagt Schmitt, „jetzt müssen wir zuerst mal die Teile wegbringen, damit sie nicht davontreiben.“
Schwägerin Sirgit Breit bringt ein Fahrrad aus der Garage und stellt es auf den Anhänger. In Kröv und den anderen Orten hilft man sich, wenn die Mosel kommt.
Auch in vielen andere Gemeinden hat das große Räumen begonnen. Und überall gibt es nur ein Thema: Wird die Mosel noch weiter steigen?
Gestern Morgen hatte die Mosel am Pegel Trier einen vorläufigen Höchststand von 8,50 Meter erreicht. Der Fluss zog sich zunächst leicht zurück, aber die Experten vom Hochwassermeldezentrum Trier geben keinesfalls Entwarnung. Neun Meter könnten am Sonntag erreicht werden, hieß es am späten Nachmittag.
Zuletzt war der Fluss im Jahr 2011 so extrem über die Ufer getreten.
Zahlreiche wichtige Straßen entlang der Mosel sind gesperrt. Die B 53 zwischen Traben-Trarbach und Bernkastel-Kues ist gesperrt, nur einzelne Abschnitte sind befahrbar. Die Autofahrer müssen große Umwege in Kauf nehmen. Bei Lieser wurde die L 47 gesperrt, die den Ort mit Kues verbindet. Auch in Bernkastel-Kues wurden Teile der Uferstraße auf der Kueser Seite gesperrt, ebenso die K 53 zwischen Minheim und Kesten und die L 156 zwischen Neumagen und Trittenheim. Thomas Edringer, Chef der Feuerwehr in der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues, schätzte gegen Mittag die Lage als „noch relativ ruhig“ ein. Eine kritische Stelle ist in Neumagen-Dhron, wo die Dhron in die Mosel mündet. Das Mündungsgebiet kann bei Hochwasser relativ schnell überschwemmt werden.
Die Fluttore bei Lieser und Kesten, beide Orte verfügen über einen Hochwasserschutz, wurden bereits am Donnerstag geschlossen, so dass die Ortskerne geschützt sind.
Trotz der Straßensperrungen versuchen immer noch einzelne Autofahrer auf überfluteten Straßen „durchzukommen“. Der Fahrer eines Kleintransporters hatte die Gefahr allerdings unterschätzt. Er soff gestern Morgen mit seinem Fahrzeug auf der Straße zwischen Ürzig und Kröv regelrecht ab. Die Feuerwehr musste das Fahrzeug aus dem Wasser ziehen. An der Kreisgrenze Richtung Trittenheim hatte sich ein Mann, der mit seiner Freundin unterwegs war, in einer wegen Hochwasser gesperrten Straße verfahren. Als er wegen steigenden Wassers nicht mehr zurückfahren konnte, alarmierte er die Feuerwehr. Schließlich schaffte er es dennoch, sich allein aus der Notlage herauszumanövrieren. Auch die Lieser führt derzeit Hochwasser. In Wittlich wurde der erst im Dezember installierte Hochwasserschutz am Donnerstag aufgebaut. Für das Wochenende wurden für den Pegel Plein jedoch sinkende Wasserstände vorhergesagt.