Kalte Finger, süßer Most

BERNKASTEL-WITTLICH. Das lange Warten hat sich gelohnt. Gestern wurden in aller Frühe an der Mosel die begehrten Eisweine gelesen. Bei Temperaturen von bis zu 11 Grad unter Null ernteten die Winzer die teuren Raritäten.

 168 Grad Oechsle zeigt die Mostwaage an. Winzer Jörg Trossen und Ehefrau Birgit aus Traben-Trarbach freuen sich über einen Spitzen-Eiswein.Foto: Winfried Simon

168 Grad Oechsle zeigt die Mostwaage an. Winzer Jörg Trossen und Ehefrau Birgit aus Traben-Trarbach freuen sich über einen Spitzen-Eiswein.Foto: Winfried Simon

Die vergangenen Wochen waren etwas nervig für manchen Moselwinzer. Wer noch Trauben zur Eisweinlese am Stock hängen hatte, musste nämlich viel Geduld aufbringen. Vor zwei Wochen wäre es beinahe soweit gewesen. Die Temperaturen sanken kurzzeitig auf minus sechs Grad. Und auch am Dienstag vergangener Woche gab es ebenfalls eine frostige Nacht. Doch es reichte nicht. Um "echten" Eiswein lesen zu können, müssen die Trauben richtig durchgefroren sein. Erst dann tritt der Effekt ein, dass beim Keltern nur der hochkonzentrierte Traubensaft abläuft und das gefrorene Wasser in der Kelter übrig bleibt. Das ergibt Weine mit außergewöhnlich hohen Mostgewichten und Aromawerten. Weine, die je nach Renommee des Erzeugers, pro 0,375-Liter-Flasche 20 Euro und mehr kosten. Die Nacht zum Dienstag brachte endlich den klirrenden Frost. Auch im Traben-Trarbacher Weingut Jörg Trossen war man auf alles vorbereitet. Acht Helferinnen und Helfer, dick vermummt mit warmen Jacken, Schals, Mützen und Handschuhen, begannen um 5.30 Uhr in der Lage Trabener Kräuterhaus mit der Lese. Dann muss es schnell gehen, denn sobald am frühen Morgen die Sonne raus kommt und die Temperaturen wieder klettern, sollten die Trauben geerntet sein. Der Lohn der frühmorgendlichen Arbeit bei Eisschrank-Temperaturen: 300 Liter Riesling-Eisweinmost mit 168 Grad Oechsle.Die Gärung kann mehrere Wochen dauern

Zur Freude Trossens ist nicht nur das Mostgewicht sehr hoch, die Trauben waren bei der Lese außerdem noch sehr gesund, was sehr reine, hoch aromatische Weine verspricht. Der Most muss nun mit Wärme und Reinzuchthefe schnell zum Gären gebracht werden. Die Gärung kann sich wegen des hohen Zuckergehaltes bis in den Februar hinziehen. Im Mai will Trossen den edlen Tropfen auf die Flaschen bringen. Trossen hat sich seit 1983 auf die Gewinnung von Eiswein spezialisiert. Jedes Jahr lässt er die Trauben in einem Weinberg seines fünf Hektar großen Weingutes hängen. Ein Risiko ist immer dabei. In manchen Jahren kann es bis zum Januar dauern, bis die notwendige Kälte eintritt. Oftmals lohnt sich dann die Lese nicht mehr, denn Wind, Regen und Schimmelpilze haben die Trauben bis dahin vernichtet. Aber nicht nur Jörg Trossen durfte sich gestern über einen erfolgreichen Abschluss des Weinjahres 2004 freuen. Ein Reihe von Winzern teilte uns gestern per Telefon oder E-Mail ihre Eisweinlese-Ergebnisse mit. Hier eine Auswahl (ausschließlich Rebsorte Riesling): Weingut Walter und Andreas Roth, Kinheim, 152 Grad Oechsle; Manfred Ames, Kinheim, ebenfalls 152 Grad Oechsle; Weingut Martin Müllen, Traben-Trarbach, 170 Grad Oechsle; Weingut Friedrich-Kern in Wehlen, 160 Grad Oechsle, gelesen in einem Weinberg in Zeltingen-Rachtig; Weingut J.P. Reinert, Kanzem (Saar), 232 Grad Oechsle; Weingut Erben von Beulwitz, Mertesdorf (Ruwer), 212 Grad Oechsle; Weingut Weller-Lehnert, Piesport, 140 Grad Oechsle; Weingut Dr. Pauly-Bergweiler, Bernkastel-Kues, durchschnittlich 175 Grad, gelesen in mehreren Weinbergsparzellen; Weingut Kees-Kieren, Graach, 150 Grad Oechsle; Weingut Heribert Kerpen, Wehlen, 166 Grad Oechsle; Weingut Albert Gessinger, Zeltingen, 182 Grad Oechsle; Weingut Andreas Schmittges, Erden, 150 Grad Oechsle, Weingut Selbach-Oster, Zeltingen, 150 Grad und 165 Grad Oechsle.

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