Politik Eine Ministerin versucht zu überzeugen

Neumagen-Dhron. · Katarina Barley (SPD) besucht die Genossen in Neumagen-Dhron. Sie wirbt um Akzeptanz für die Große Koalition und erzählt aus den Verhandlungen. Dabei hebt sie Bildung und Soziales hervor.

 Katarina Barley versucht, die Basis in Neumagen-Dhron zu überzeugen.

Katarina Barley versucht, die Basis in Neumagen-Dhron zu überzeugen.

Foto: TV/Hans-Peter Linz

Eine schwere, dunkle Limousine mit Berliner Kennzeichen steht vor der Tür des Awo-Hauses in Neumagen-Dhron. Die Personenschützer mit wachem Blick und dem typischen Ohrhörerknopf  ihres Funkgeräts sichern das Areal.

Bettina Brück, Vorsitzende der SPD im Kreisverband Bernkastel-Wittlich, hat Genossen und Freunde zur Infoveranstaltung über den Koalitionsvertrag und den Mitgliederentscheid an die Mosel eingeladen.

Als Rednerin hat sie Katarina Barley, die geschäftsführende Familien- und Arbeitsministerin, angekündigt. Barley war selbst Mitglied des Verhandlungsteams, das mit Vertretern der CDU/CSU den rund 170-seitigen Koalitionsvertrag erarbeitet hat. Rund 30  Interessierte finden den Weg nach Neumagen-Dhron. Katarina Barley betritt den Saal. Sie begrüßt jeden mit Handschlag und tut das, was viele SPD-Mitglieder aus der Führungsebene in diesen Tagen tun müssen: Sie versucht, die Basis von der Sinnhaftigkeit einer Koalition mit der CDU/CSU zu überzeugen. Schließlich ist der Druck  durch die NoGroKo-Bewegung, die eine Koalition ablehnt, groß. Bettina Brück hat das im Blick, als sie die Veranstaltung eröffnet. Sie erinnert an die gute Debattenkultur der SPD, verweist darauf, dass sich an diesem Abend noch keiner festlegen müsse, sie aber für die große Koalition stimmen wird. Brück: „Ich habe den Vertrag gelesen. Für mich überwiegen die Gründe, für den Vertrag zu sein.“

Barley schickt voraus, dass die Verhandlungen mit der CDU/CSU die kürzesten Koalitionsverhandlungen in der Geschichte der Republik gewesen seien. Schließlich dürfe man die Zeit, in der um die gescheiterte Jamaika-Koalition verhandelt wurde, nicht darin einrechnen.  Man habe hart an den Themen gearbeitet: „In dem Papier, das wir vorliegen haben, sind Blut, Schweiß und Tränen drin.“ Als besonderen Leuchtturm hebt sie das Konnexitätsprinzip für die Kommunen vor, das vorsieht, dass der Bund Aufgaben, die er den Kommunen auferlegt, selbst bezahlen muss.

Im Bereich Bildung habe man sozialdemokratische Politik durchsetzen können. 3,5 Milliarden Euro würden für die Gebührenfreiheit von Kitas in ganz Deutschland bereitgestellt. Bundesländer, die das bereits anbieten, so wie Rheinland-Pfalz, würden dabei aber nicht leer ausgehen. Diese könnten das Geld für andere Maßnahmen im Bereich Kitas verwenden, wie etwa die Personalschlüssel verbessern.

Zudem soll  ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an den Schulen geschaffen werden.  Auch in die Bereiche Kinderarmut, Hochschulen, Arbeitsversicherung, Fortbildung, Langzeitarbeitslosigkeit soll Geld gesteckt werden. Barley: „70 Prozent des Vertrags sind sozialdemokratische Inhalte.“

Auch der ländliche Raum werde  berücksichtigt, so Barley. Man habe  zumindest kleine Schritte in Richtung Bürgerversicherung erreichen können. Um mehr Ärzte in den ländlichen Raum zu ziehen, sollen sie dort  höhere Vergütungen erhalten.

Eine Minderheitsregierung ohne Beteiligung der SPD sei in ihren Augen nicht von Vorteil. Barley: „Ich halte es für völlig illusorisch, dass man sich in einem System der wechselnden Mehrheiten in einer Minderheitsregierung profilieren kann. Das einzige, was dann bei den Leuten hängen bleiben würde, ist Merkel.“ Dieser „Ideenstaubsauger  Merkel“ funktioniere aber nicht mehr. In der Diskussion erkundigen sich die Genossen über Details des Vertrags, es geht unter anderem um die Flüchtlingspolitik (Barley: „Es gibt keine Obergrenze.“), die Sollbruchstelle („Nach zwei Jahren soll die Koalition nochmals auf den Prüfstand gestellt werden.“) und auch um Martin Schulz. Barley wirbt um Verständnis für seine Situation: „Seine Entscheidung wurde von der Parteispitze mitgetragen. Ich war über die Reaktionen entsetzt.“  Jetzt müsse es mal gut sein mit der Häme. Die Genossen stimmen zu.

Ob Barley überzeugen konnte, wird sich bald entscheiden. Am 4. März soll das Ergebnis des Mitgliederentscheids bekanntgegeben werden.

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