Kraftvoll und hemmungslos

WITTLICH. Der Volksbrunnen am Wittlicher "Platz an der Lieser" zeigt als liebenswerte Erinnerung an die Originale der Altstadt bronzene Abbildungen von sechs lustigen, schrulligen und kauzigen Gestalten: Kranzen Hiljardchie, Laubachs Hanni, Weinzen Stöffelchie, Kunzen Hubbchie, Kiesjens German und Maasen Dorth.

Die erste unserer Geschichten berichtet von der wortgewaltigen Maasen Dorth, die allerdings vom Wittlicher Pfarrer zum Schweigen gebracht wurde. Sie stammte aus Gillfenfeld, lebte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Wittlich und feierte im Oktober 1942 Goldene Hochzeit: Maasen Dorth. Wer ihr in die Hände fiel, musste kapitulieren. Ihre Ausdrücke, kraftvoll und hemmungslos, goss sie wie Geifer über das verschreckte Opfer. Und Prügel hagelte es manchmal hinterher, berichten Zeitzeugen. Um Handwerkszeug war sie nie verlegen, sie zog zur Not ihre Pantoffeln aus und schlug zu. Behörden jeglicher Art waren in ihren Augen nur zum Quälen der Menschen da. Sie war eine Urnatur ohne Schranken und Rücksichten. Ihre Gedanken lagen offen, aber auch sonst war sie völlig ungeniert. Ihre Schnupftabaksdose, die "Schnaufbichs", hatte sie stets bereit und bot deren Inhalt anderen an. Sie arbeitete mit ihrem Mann wie ein Pferd, kannte nur Werktage, störte sich nicht an Gesetzen und Verordnungen. Sie hatte einer stattlichen Reihe von Kindern das Leben geschenkt und diese gar nicht schlecht erzogen. Einmal brachte sie ein Enkelchen zum Pastor zur Taufe, zu einer ganz ungewöhnlichen Zeit. Der Pastor sagte, sie möchte zu einer anderen, von ihm festgesetzten Stunde kommen. Kurzerhand ging sie wieder und ließ das Kind woanders taufen. Der Einzige, der mal mit ihr fertig geworden ist, war Dechant Stein, ein besonnener Mann. Frau Maas hatte sich vor ihm aufgebaut und eine furchtbare Schimpf- und Drohkanonade losgelassen. Dechant Stein hörte ruhig zu, sagte kein Wort, unterbrach nicht. Der Redeschwall endete dann schließlich. Frau Maas war in Schweiß gebadet. Daraufhin fragte Dechant Stein freundlich: "Frau Maas, sind sie jetzt fertig?" "Ja", stöhnte diese. "So", sagte der Dechant, "dann können Sie ja wieder gehen." Darauf war Dorth nicht gefasst. Sie hatte mit Belehrungen und Strafandrohungen gerechnet. Aber sowas - einfach nur zu sagen, sie könne gehen, das war ihr noch nicht passiert. Fassungslos wischte sie sich mit der Hand über den Mund und verschwand. Wenn auch Sie eine Anekdote kennen, den für viele unverständlichen Namen eines Hauses, einer Straße oder eines Flurstücks erklären können oder zu einem historischen Ereignis eine persönliche Geschichte zu erzählen haben, dann schreiben Sie unter dem Stichwort "Stadtgeschichten" mit Namen, Adresse und Telefonnummer für etwaige Rückfragen an die E-Mail-Adresse mosel@volksfreund.de Wichtig für eine rasche Veröffentlichung ist, dass ihre Geschichte knapp formuliert ist und etwa 60 Druckzeilen (à 30 Anschläge) umfasst. Falls Ihnen ein historisches Foto vorliegt, ist uns dieses (hinreichende Qualität vorausgesetzt) auch willkommen.

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