Mit Pudelmütze in die Kälte hinein

WITTLICH-LÜXEM. Alles andere als aus der Mode gekommen ist das Kühlhaus in Lüxem. Als eines der letzten in Deutschland erfreut es sich immer noch großer Beliebtheit.

Es war einmal… Mit diesen Worten könnte die Geschichte über eine Gemeinde-Einrichtung beginnen, die Anfang der 1960er Jahre in Lüxem gebaut wurde. Es war zu Zeiten der Hausschlachtungen: Der heutige Wittlicher Stadtteil war noch eine eigenständige Gemeinde, die meisten Männer hatten Schweine, Rinder oder Hühner im Stall. Und die Frauen fühlten sich in der Kittelschürze noch Kindern, Küche und Kirche verpflichtet. Eine eigene Kühltruhe hatte kaum jemand, der Bedarf nach Kühlung war aber groß. Damals gründeten findige Lüxemer kurzerhand die "Interessengemeinschaft Gefrieranlage", zahlten rund 300 Deutsche Mark pro Nase in den großen Topf ein und bauten auf Gemeindegrund, gleich neben dem Sterenbach, das begehrte Gebäude. Seit 1961 hat sich vieles geändert, eines jedoch ist geblieben: Die 77 Kühlfächer sind noch immer das ganze Jahr besetzt. Und das nicht nur von Bürgern aus Lüxem. Wie zum Beweis klingelt es während des TV -Interviews an der Tür von Helmut Konrad, dem ehemaligen Lüxemer Ortsvorsteher und gewissenhaften Verwalter des Kühlhauses. Der Besucher Klaus Neumann informiert Konrad, dass er einen Interessenten aus Manderscheid an der Hand habe. Denn eben noch war eines der begehrten Fächer frei geworden; nun hat es den Mieter gewechselt, auf dem kurzen Dienstweg sozusagen. Ein Liebhaber von Wild aus den heimischen Wäldern sei der Neue - und damit ein typischer Kühlfach-Interessent. Jäger und Damwild-Besitzer bilden die eine Gruppe, ernährungsbewusste Bürger mit eigenem Garten eine andere - und immer noch Menschen wie Helmut Konrad. Der hält sich eine eigene Mutterkuh. Die Kälbchen schlachtet er regelmäßig selbst, da weiß er, was er auf dem Teller hat.Zutritt bei Tag und Nacht möglich

Nicht alle Familien kaufen Fisch und Fleisch gern an der Supermarkttheke. Direktvermarktung heißt das Zauberwort, das in der ländlichen Region zwar mit einigem Aufwand verbunden, aber durchaus machbar ist. Da braucht es einen Vorratsraum, und den gibt es nirgends so günstig wie im Lüxemer Eishaus. Der Grund ist auf 99 Jahre von der Gemeinde verpachtet, den Strom gibt es verbilligt, und seit vielen Jahren haben alle Mieter einen eigenen Schlüssel, der ihnen den Zugang zu jeder Tages- und Nachtzeit ermöglicht. 33,50 Euro kostet ein 250-Liter-Fach pro Jahr, 18 Euro ein 125-Liter-Fach. Wer eine Kühltruhe zu Hause hat, hat eine Vorstellung davon, wie viel da hinein passt. Konrad ist stolz: "Seit 15 Jahren haben wir den Mietpreis nicht mehr erhöht." Und immer noch, trotz einer aktuellen Generalsanierung von Wänden, Decke und der Kühlmaschine (hier hat die Stadt einen Zuschuss gegeben), spricht er von Rücklagen. Die Fächer gehen fast immer per Mund-zu-Mund-Propaganda weg. Meist existiert eine Warteliste. Als besonders edel erweist sich im Übrigen der Vorkühlraum. Bei etwa plus zwei Grad Celsius kann das Fleisch in Ruhe abhängen, bevor der Besitzer es gründlich verpackt in den Kühlraum bringt. Sibirische minus 18 Grad Celsius herrschen dort. Deshalb rücken Kenner der Materie mit Pudelmütze und Handschuhen an - jedenfalls dann, wenn sie in ihren Vorräten nach einem ganz bestimmten Stück suchen, was schließlich eine Weile dauern kann.

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