Mutti darf sich bedienen lassen

SPRINGIERSBACH. Ein ausgedehnter Urlaub jedes Jahr, oft noch ein zweiter hinterher - für viele Menschen ist das selbstverständlich. Doch diejenigen, die Erholung am meisten nötig hätten, haben oft kein Geld dafür. Alleinstehende Mütter oder einkommensschwache Familien müssen dennoch nicht ganz darauf verzichten. Wenn sie zum Beispiel Urlaub im Haus Springiersbach des Familien-Ferien-Trägerwerks machen.

Einmal richtig ausspannen, den Alltag hinter sich lassen, Ruhe genießen und selbst bedient werden: In Wellness-Hotels, die in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, kann man all dies haben - allerdings für viel Geld. Aber viele Familien können sich noch nicht einmal einen einfachen Hotelurlaub leisten. Das ist heute so wie vor 50 Jahren. 1952 gründete ein Pfarrer deshalb den gemeinnützigen Verein Familien-Ferien-Trägerwerk. Der Verein hat vier Häuser, eines in Springiersbach, unmittelbar neben der barocken Klosterkirche. 1958 wurde es eröffnet. 11 000 bis 12 000 Übernachtungen werden pro Jahr gezählt. In den Ferienzeiten ist das Haus fast immer ausgebucht.Die Kinder basteln, die Eltern wandern

"Vor 20 Jahren kamen vor allem Familien mit drei, vier Kindern hierher, heute sind es oft allein erziehende Mütter oder Väter mit einem Kind, die unser Angebot in Anspruch nehmen", erzählt der Leiter des Hauses Springiersbach, Michael Koch. In der Regel buchen die Familien die 14-Tage-Angebote wie "Sommer unterm Regenbogen" oder "Geschichtenerzählspieler". Für Eltern und Kinder werden getrennte und gemeinsame Freizeitprogramme angeboten. Während die Kinder zum Beispiel einen Vormittag lang basteln, können sich die Eltern auf einer Schifffahrt auf der Mosel oder bei einer Wanderung durch die Weinberge entspannen. In der Regel sind Eltern und Kinder in getrennten Häusern untergebracht. Mit Vollpension kostet so ein Zwei-Wochen-Urlaub einen Erwachsenen 477 Euro, Kinder zahlen je nach Alter 200 bis 300 Euro. In manchen Bundesländern, unter anderem auch in Rheinland-Pfalz, erhalten einkommensschwache Familien für Urlaub in solchen gemeinnützigen Ferienstätten einen Zuschuss. 13 Mitarbeiter hat Michael Koch, Küchenpersonal ebenso wie Fachleute mit pädagogischer Ausbildung. Nicht nur Familien kommen nach Springiersbach, auch Schulklassen, Seniorengruppen oder in der kirchlichen Arbeit engagierte Männer und Frauen nutzen das Angebot. Und auf die zweite Woche nach Ostern freut sich Michael Koch immer ganz besonders. Dann sind rund 35 Kölner Obdachlose im Haus Springiersbach, die, unterstützt von einem Obdachlosenförderring, "Urlaub machen". Koch: "Da sind viele interessante Menschen mit ganz verrückten Lebensgeschichten dabei. Es macht Spaß, mit ihnen zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen."

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