Motorsport Das „olle Ding“ und die Uhu-Taktik

Kröv/Enkirch · Vater, Sohn und Oldtimer: In Kröv und Enkirch haben die Richters ihren 58 Jahre alten Wartburg in Schuss gebracht.Bei der berühmtesten Rallye der Welt haben sie Geschichte geschrieben.

 Mit ihrem 58 Jahre alten Wartburg 311 haben Frank und Gerhard Richter erfolgreich an der Rallye Monte Carlo für historische Fahrzeuge teilgenommen. Unter mehr als 300 Teilnehmern erreichten Vater und Sohn den 19. Platz in der Gesamtwertung.

Mit ihrem 58 Jahre alten Wartburg 311 haben Frank und Gerhard Richter erfolgreich an der Rallye Monte Carlo für historische Fahrzeuge teilgenommen. Unter mehr als 300 Teilnehmern erreichten Vater und Sohn den 19. Platz in der Gesamtwertung.

Foto: Björn Pazen

„Kurbelwellenfabrik Gerhard Richter“ steht auf dem Schild an der Hintertür in Enkirch. Ein Relikt aus alten Zeiten, als Gerhard Richter in Ost-Berlin noch seine eigene Firma hatte. Seit vielen Jahren ist Richter nun Rentner, aber die Liebe zu Kurbelwellen hat den mittlerweile 84-Jährigen nie losgelassen. In den 1960er Jahren war er DDR-Rallyemeister in einem Wartburg. Nach der Wende zog er mit seiner Familie an die Mosel, lebt heute in Kröv, sein Sohn Frank (47) ist mit seiner Frau in Enkirch heimisch geworden. Und dass beide für historische Fahrzeuge und Rallyes schwärmen, erkennt man spätestens beim Blick in die Garagen beider Häuser.

Tausende Teile für ihre alten Schätzchen, Werkzeuge, Drehbänke und Maschinen aus alten Zeiten, ein Rollenprüfstand, und, und,  und ... „Hier muss mal wieder ein bisschen aufgeräumt werden“, sagt Sohn Frank Richter, nachdem er den 58 Jahre alten Wartburg 311GT auf den Hof in Enkirch gefahren und die beiden großen Pokale aus der guten Stube geholt hat.

Dem Auto sieht man  die Strapazen der vergangenen drei Wochen nicht an – doch „das olle Ding“, wie Frank Richter sagt, hat mit seinen Fahrern Geschichte geschrieben. 2012 hatten sie just jenen Wagen im tiefsten Brandenburg wiederentdeckt, mit dem Gerhard Richter früher Rallyes gefahren ist, haben ihn in  Monaten wieder aufgebaut, und sind seitdem Stammgast bei der Rallye Monte Carlo für historische Fahrzeuge.

Sie haben sich im Bekanntenkreis Ersatzteile besorgt. Was es nicht mehr gab, wurde in Kröv und Enkirch von den beiden KFZ-Meistern nachgebaut oder restauriert. „Wir können alles selber machen, das ist unser Vorteil. Aber so ein Dreivierteljahr brauchst du schon, bis ein Auto fit für eine solche Rallye ist“, sagt Frank Richter, der im Außendienst bei einem Felgenhersteller Vertriebsleiter Europa ist.

Mit jeder Teilnahme bei der „Königin der Rallyes“ (mittlerweile war es die fünfte gemeinsame) wurde ihr Erfahrungsschatz größer, in diesem Jahr haben sie intensiv auf der insgesamt 2500 Kilometer langen Strecke – darunter 400 Wertungsprüfungs-Kilometer– trainiert. Mit ihrem „Alltagsauto“ sind sie alles abgefahren, Vater Gerhard hat den Aufschrieb gemacht, jede Kurve, jede Kuppe wurde sorgfältig notiert. Dann mit diesem Aufschrieb nochmals alles abgefahren. Fast alles: „Auf dem berühmt-berüchtigten Col de l’Echarasson sind wir und unser Begleiter mit beiden Autos im Schnee steckengeblieben, haben uns gegenseitig wieder rausgezogen. Und genau dort haben wir später entscheidende Zeit verschenkt“, sagt Frank Richter.

Denn zum Start dieser Etappe lag der Wartburg sensationell auf Platz Zwei der Gesamtwertung unter 317 Startern, nachdem die Richters sogar zwei Wertungsprüfungen gewonnen hatten. „Eigentlich hieß unser Ziel wie immer Uhu, das heißt unter den ersten Hundert anzukommen. Aber uns hatte dann der Ehrgeiz gepackt“, erzählt Vater Richter. Auch dass sie statt wie gewöhnlich vier Sätze Reifen nur eineinhalb dabei hatten, störte die Richters nicht. „Frank ist super gefahren“, sagt Gerhard. „Vater hat uns super da durchgebracht, und der Wartburg lief wie geschmiert“, sagt der Sohn.

Aber nach den beiden Durchfahrten am Col de l’Echarasson waren sie auf den 24. Platz zurückgefallen.

Am Schlusstag holten die Richters noch einige Plätze auf, kamen nach der „Nacht der langen Messer“ über den Col de Turini genau um 3:58 Uhr ins Ziel  – auf Rang 19 der Gesamtwertung. „Da war auch am Wartburg-Stammsitz Eisenach der Jubel groß, denn das war das beste Ergebnis aller Zeiten eines Wartburg bei der Monte. Nicht einmal die Werksteams landeten bei den früheren WM-Läufen so weit vorne“, sagt Gerhard Richter. Seither reißen die Glückwünsche per Mail, SMS oder Whatsapp nicht ab. Denn alle wissen, dass das Fahrzeug der Moselaner von der Leistung her der Konkurrenz weit unterlegen ist. „Erst dachte ich, da kommt ein Schwarm Hornissen, aber dann habe ich erkannt, dass das der Wagen von den verrückten Richters ist, der dann mit Vollgas um die Kurve flog“, sagte ein anderer Monte-Teilnehmer.

Im Herbst steht in Polen die nächste Rallye an, dann ist Gerhard Richter Teamchef, die Frau von Frank übernimmt dann dessen Rolle als Beifahrer.

 Gleich zwei Pokale, für den Klassensieg und einen Platz unter den 20 besten Startern, brachten die Richters aus Monte Carlo mit zurück an die Mosel.

Gleich zwei Pokale, für den Klassensieg und einen Platz unter den 20 besten Startern, brachten die Richters aus Monte Carlo mit zurück an die Mosel.

Foto: Björn Pazen

Und im Januar 2019 sind die beiden in Monte Carlo wieder am Start  – und nun haben sie richtig Blut geleckt: „Wir werden uns noch intensiver vorbereiten, denn im Endeffekt waren es unsere Fehler, dass wir nicht weiter vorne gelandet waren. Und daran werden wir arbeiten“, sagt der Sohn: „Unser Ziel ist ein Platz unter den Top 10.“

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