Weinkolumne „Huch, da kommt ja Zucker rein...“

Ich hatte die Gelegenheit, an Silvester eine Gästegruppe durch die Weinberge meines Heimatortes zu führen. Ich erzählte einiges über die Mosel, die Landschaft, die Geologie, den Weinanbau und über das Dorf.

Vorsorglich hatte ich mir eine Weinbergsschere eingesteckt, um an einem Stock den Rebschnitt zu demonstrieren.

Der Stamm der Rebe war außergewöhnlich hoch gewachsen, was einen der Gäste zu der Frage animierte: „Das ist doch sicher ein Hochgewächs.“ Ich hielt kurz inne, vermied ein herzhaftes Lachen und sagte: „Hochgewächs ist etwas ganz anders, ich erkläre es“, fügte aber hinzu, „die genauen gesetzlichen Vorschriften kenne ich auch nicht.“

Also: Die Bezeichnung „Hochgewächs“ ist in Deutschland seit 1987 zulässig und allein dem Riesling vorbehalten, der die Qualitätsstufe „Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete“ (QbA) aufzuweisen hat. Ein Riesling-Hochgewächs muss aber etwas hochwertiger (höheres Mostgewicht) sein als ein „gewöhnlicher QbA“, und er muss bei der amtlichen Qualitätsweinprüfung deutlich besser abschneiden als wiederum ein gewöhnlicher QbA. Weitere Details erspare ich mir an dieser Stelle, denn um das deutsche Weingesetz zu verstehen, muss man Volljurist sein.

Als ich dem Weinfreund erklärte, dass man QbA-Moste, also auch Hochgewächse, zuckern darf, konnte er die Welt nicht mehr verstehen. „Zucker im Wein? Das ist doch Panscherei“, meinte er. „Nein, Zucker im Most“, erklärte ich, „um den Alkoholgehalt zu erhöhen.“ Das sei ein übliches Verfahren in der Weinbereitung für Moste, die von Natur aus zu wenig Zucker haben. Die Franzosen nennen das chaptalisieren, die deutschen Weinerzeuger vermeiden das Thema am liebsten. Hierzulande heißt es weniger elegant zuckern oder verbessern.

Übrigens: Zucker ist kein Gift. Er kommt unter anderem in Kuchen, Eiscreme und Schokolade vor.

w.simon@volksfreund.de

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