Wenn die Brautschau auf der Strecke bleibt

BERNKASTEL-WITLICH. Im Jahr 2003 verzeichnet die Region ein leichtes Ansteigen von Wildunfällen. Dennoch liegt alles im Normbereich: Regelmäßig sind bei 20 bis 30 Prozent aller gemeldeten Unfälle Tiere beteiligt.

Verkehrstote, Verletzte, über mehrere 100 000 getötete Wildtiere, so lautet Jahr für Jahr die traurige Bilanz der Wildunfälle auf Deutschlands Straßen. Jährlich registriert das Statistische Bundesamt rund 30 Tote und mehr als 3400 verletzte Personen durch Wildunfälle. Der Sachschaden wird auf über 330 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Häufig werden Wildunfälle im Ausmaß unterschätzt: Ein 20 Kilogramm schweres Reh besitzt bei einer Kollision mit Tempo 100 ein Aufschlaggewicht von fast einer halben Tonne. Bei der Polizeidirektion Wittlich befasst sich Ulrich Müller dezidiert mit allen Fragen in Sachen Straßenverkehr. Sein Zuständigkeitsbereich umfasst sieben Dienststellen: Die Polizeiinspektionen (PI) Bernkastel, Bitburg, Daun, Prüm, Wittlich, Zell sowie die Autobahnstation Schweich, die ihrerseits Einsätze fährt auf den Autobahnen A 1 und A 60. Sie kümmern sich um die Strecken von Nonnweiler bis Mehren, von Schweich bis Trier und Luxemburg, und auf der neuen Route von Wittlich bis Spangdahlem. "Die rheinland-pfälzische Polizei ist in Sachen EDV besser als in manch anderem Bundesland ausgestattet und vernetzt", meint Müller. Jeder Unfall wird gemeldet, erfasst und ausgewertet. So kann er schnell abrufen, wie die Wildunfall-Zahlen auf den einzelnen PIs aussehen. Vergleicht man das laufende Jahr mit den Zahlen des entsprechenden Zeitraumes (bis zum 6. Oktober) in 2002, ist flächendeckend eine Steigerung der Wildunfälle um mehrere Prozentpunkte zu beobachten. Gravierend fällt dies bei der PI Wittlich auf. Im Jahr 2002 betrugen die Wildunfälle 18,84 Prozent sämtlicher Unfälle (1120), bis zum 6. Oktober 2003 stieg diese Zahl auf 27,15 Prozent (gesamt 1105). Müller: "Durch die laufenden Bauarbeiten am neuen Autobahnkreuz Wittlich sind Wildschutzzäune nicht ganz geschlossen." Dieses spezielle Problem könnte sich nach Abschluss der Arbeiten bis zum Hochmoselübergang also erledigen. In Morbach kümmert sich Polizeioberkommissar Gregor Steffes seit Jahren um die Thematik. Im dicht bewaldeten Hochwald kommen Wildunfälle begreiflicherweise gehäuft vor. Von insgesamt 508 gemeldeten Unfällen im vergangenen Jahr (immer bis zum 6. Oktober gerechnet) war 212 mal Wild beteiligt, das entspricht 41,73 Prozent. In diesem Jahr weist die Statistik bereits 541 Unfälle auf, von denen 262 mal Wild im Spiel war (48,42 Prozent).Unfallschwerpunkte wechseln im Hunsrück

Auch nach Rücksprache mit den Forstämtern ist kein Anhaltspunkt festzumachen, wie es zu dieser Steigerung kommt. Steffes: "Vielleicht hatte es mit dem harten Winter 2002/03 zu tun, als die Waldtiere auf der Suche nach geeigneten Futterstellen möglicherweise längere Strecken zurücklegen mussten." Schwierig sei die Einschätzung auch deshalb, weil zum Beispiel Wildschweine kein artentypisches Bewegungsmuster aufwiesen. In waldreichem Gebiet müsse der aufmerksame Autofahrer immer mit Wildwechsel rechnen. Das habe die Rechtsprechung längst durch Urteile belegt: "Manchmal kann da Tempo 70 schon zu schnell sein." Die Unfallschwerpunkte mit Wild bei der PI Morbach wechseln: War es Anfang des Jahres die B 327 bei Thalfang-Bäsch, so hat sich dort die Lage beruhigt - vielleicht helfen frisch aufgestellte, warnende Wildwechsel-Schilder. Momentan kristallisiert sich ein anderer Brennpunkt heraus. Vorsicht, Autofahrer: In einer Senke auf der B 269 bei Gonzerath-Entenphuhl herrscht auffallend reger Wildwechsel. Ein Trost bleibt. Bei Zusammenstößen mit Wild kommen deutlich weniger Menschen zu Schaden als bei anderen Unfallursachen. Die Prozentpunkte schwanken zwischen 0,67 Prozent bei der PI Wittlich und 2,25 Prozent bei der Autobahnstation, was auf die höhere Geschwindigkeit zurück zu führen ist. Hauptsächlich Rehe, Dachse und Wildschweine hat Polizeihauptkommissar Günter Zisch als Ursachen für Wildunfälle auf A 1 und A 60 ausgemacht. "Besonders viele junge Frauen bremsen auch für Hasen", bedauert er im Hinblick auf die Folgen, die Vollbremsungen und Ausweichmanöver bei Tempo 120 oder 150 üblicherweise haben. ADAC-Experten empfehlen: Lieber das Lenkrad fest in beide Hände nehmen und draufhalten.

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