Ihre Meinung Nicht auf der Nase herumgetanzt

Geschichte

Zum „Auf den Spuren von Mehse Matti“ (TV vom 26. Februar):

Die saloppe Feststellung in der Überschrift des Artikels, Matthias Joseph Mehs habe „den Nazis gehörig auf der Nase herumgetanzt“, ist irreführend. Mehs war ein hochgebildeter, christlich-humanistisch geprägter und verantwortungsethisch handelnder Mann, der fest auf dem Boden der Realität stand. Diese war ab 1933 vom Terror des NS-Regimes durchtränkt. Das musste Mehs spätestens am 1. April 1933, am Tag des Judenboykotts, in seiner Vaterstadt Wittlich hautnah mit Abscheu zur Kenntnis nehmen. Die Zeit politischen Tanzens war vorbei.

Mehs konnte als Zentrumsabgeordneter im Wittlicher Stadtrat Anfang 1933 zwar noch die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Hitler formalistisch austricksen, dann aber musste er sich  für die gesamte Dauer der NS-Zeit in inneren Widerstand zurückziehen. Für die Wittlicher Nazis war er ein „schwarzes Schaf“. Das wusste er. In existentieller Bedrohung sah er sich veranlasst, vorschriftsmäßig auch an seinem Haus die Hakenkreuzfahne auszuhängen, um die Juden zu bitten, sein Gasthaus zu meiden.

Im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er von der Gestapo in Trier inhaftiert, jedoch sonderbarerweise auf Fürsprache des Wittlicher Kreisleiters wieder freigelassen. Das alles ist nachzulesen in seinen während der NS-Zeit geheim geführten Tagebüchern, die 2011 zweibändig im Druck erschienen sind. Diese Tagebücher sind ein herausragendes Dokument des inneren Widerstands und mutiger Verurteilung des NS-Regimes. Wären sie in die Hände der Gestapo geraten, hätten sie Mehs vermutlich das Leben gekostet.

Es ist zu begrüßen, dass sich der Berliner Historiker Michael Wildt der Tagebücher Mehs annimmt und vermutlich ihren hohen Aussagewert für den Bedingungsrahmen und die Methoden der NS-Gleichschaltung herausstellen wird. Dabei können ihm zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte Wittlichs in der NS-Zeit behilflich sein.

Die Tagebücher Mehs’ gewähren nicht nur Einblick in das Denken, Urteilen und Verhalten des Regimegegners und seine Ohnmacht dem Terror gegenüber, sondern auch in die Wirkmechanismen des NS-Regimes im überschaubaren Raum der Kreisstadt Wittlich. Diese Tagebücher sollten Pflichtlektüre für diejenigen sein, die heute als Nachgeborene über die Menschen zur Zeit des NS-Terrors urteilen.

Es gereicht der Stadt Wittlich zu Ehren, dass sie Matthias Joseph Mehs, der Hitlers Ehrenbürgerschaft vereitelte, zu ihrem Ehrenbürger ernannte. Doch dieser Titel gebührte ihm aber auch wegen anderer Verdienste um seine Vaterstadt.

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