30 Jungs, zwei Tage, ein Team: Integratives Flüchtlingsprojekt in Binscheid

Üttfeld-Binscheid · Flüchtlinge und Eifeler Jugendliche haben in Binscheid gemeinsam an einem integrativen Projekt teilgenommen. Das lief so gut, dass es weitere solcher Angebote geben wird.

 Fröhliche Teambildung: Einige der jungen Teilnehmer am Gemeindehaus in Binscheid. Foto: privat

Fröhliche Teambildung: Einige der jungen Teilnehmer am Gemeindehaus in Binscheid. Foto: privat

Foto: (e_pruem )

Wer mit Anas Shalhawi spricht, will kaum glauben, dass der junge Syrer erst seit eineinhalb Jahren in unserem Land lebt - so gut ist bereits sein Deutsch. Nichts Besonderes, findet er: "Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich direkt angefangen zu lernen", sagt der 17-Jährige. "Ich lerne jeden Tag. Und unsere Betreuer helfen uns auch sehr viel."

Anas meint die Betreuer im Marienwohnheim Neuerburg. Dort lebt er zusammen mit elf weiteren Flüchtlingen. Alles Jungs, alle ohne Begleitung ins Land gekommen. Im Eifelstädtchen geht er auch aufs Gymnasium. Sein Ziel? "Medizin studieren."

Anas ist einer von 15 jungen Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und aus Eritrea, die soeben an einem Integrationsprojekt im Gemeindehaus von Üttfeld-Binscheid teilgenommen haben - zusammen mit 15 weiteren Jungs zwischen 14 und 19 Jahren, die alle aus der Eifel stammen.

Das Projekt war eine Aktion von Marc Spiekermann, verantwortlich für Jugend-Sozialarbeit in den Verbandsgemeinden Arzfeld und Prüm, und der Leiterin der Jugendwohngruppe im Marienheim Neuerburg, Katrin Reißberg - beides in Trägerschaft des Caritasverbands Westeifel. Die Gemeinde Üttfeld stellte den Organisatoren das Haus kostenlos zur Verfügung.

Sinn und Zweck der beiden Tage: Ihnen ein attraktives Freizeitprogramm zu bieten - und etwas für die Integration zu tun, indem sie zusammen Aufgaben erledigen und Herausforderungen meistern. So wurde gemeinsam gekocht und gegrillt, jeder hatte etwas zu tun - "sich bedienen lassen", sagt Spiekermann, "gab es nicht". Und es wurde gespielt: Unter anderem gab es einen "Escape Room", aus dem die Jugendlichen herausgelangen mussten. Bei Brettspielen legte man Wert darauf, dass sie einen kooperativen Charakter haben.

"Wir haben uns vorher schon Gedanken gemacht, ob das klappen kann", sagt Katrin Reißberg. Aber dann lief alles "besser als gedacht". Vorstellung, Kennenlernen, erste Spiele - "und abends war dann schon klar: Es gibt viele Gemeinsamkeiten."

Die meisten der Jungs seien so angetan gewesen von den beiden Tagen, dass sie bei künftigen Aktionen auch dabei sein wollen, sagt Spiekermann. "Und es wurde spontan ein E-Mail-Verteiler eingerichtet, um über zukünftige Aktionen informieren zu können."

"Man lernt neue Leute kennen, man kann gucken, wie die anderen denken, was die machen", sagt Anas Shalhawi, dem die beiden Tage ebenfalls sehr gefallen haben. Und er hofft, dass es solche Angebote auch weiterhin gibt. "Sonst kann man sich nicht integrieren."

Genau deshalb, sagt Katrin Reißberg, sei es so wichtig, "dass die Jungs weiter ihre sozialen Kontakte zu Einheimischen ausbauen. Nur so kann Integration gelingen." Dabei sei es "unglaublich spannend zu sehen, wie diese verschiedenen Menschen mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen aufeinander treffen, interagieren und sich verändern."

Solche Angebote soll es deshalb auch für Mädchen oder für gemischte Gruppen geben, sagt Katrin Reißberg. Das sei vor allem in Zeiten wichtig, in denen wieder in Dimensionen wie "wir" und "die" gedacht werde - oder Ängste vor dem vermeintlich Unbekannten, "den Fremden", geschürt würden.

"Schön war es an diesem Wochenende zu sehen, dass eines sehr schnell klar wird, wenn man gemeinsam Zeit verbringt, gemeinsam spielt und gemeinsam Mahlzeiten zu sich nimmt: Wir sind alle Menschen und gar nicht so verschieden, wie man anfangs denkt."

So sieht es auch Anas, der sich in der Eifel sehr wohlt fühlt, wie er sagt. Auch wenn er weiß, dass er irgendwann, des Studiums wegen, von hier fort muss. "Ich habe hier alles", sagt er. "Mir fehlt nur meine Familie."
Kommentar

So kriegt man die Mauern weg

Der Bundespräsident hat vorgestern, am Tag der Deutschen Einheit, von den Mauern gesprochen, die gerade wieder hochgezogen werden. Das beispielhafte Projekt mit der Gruppe aus Flüchtlingen und Eifeler Jungs zeigt hingegen: Trennendes ist oft ganz leicht zu überwinden. Indem man einander schlicht kennenlernt. Und erfährt, wie viel man gemeinsam hat. Und nein, das gelingt nicht immer, nicht bei jedem. Aber nur so legt man die Saat für ein gutes Miteinander. Viele Mauerbauer verstehen das leider nicht.
f.linden@volksfreund.de

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