Das Polit-Phantom lässt sich nicht blicken

Prüm/Bitburg · Mit einer überzeugenden Rede hat das angebliche Bundestags-Phantom Jakob Maria Mierscheid beim SPD-Neujahrsempfang in Prüm geglänzt. Leider nicht persönlich: Mierscheid schickte seinen ehemaligen "Referenten" Marcus Heintel.

 Jakob Maria Mierscheid in einer frühen Aufnahme. Foto: SPD

Jakob Maria Mierscheid in einer frühen Aufnahme. Foto: SPD

Prüm/Bitburg. Neujahrsempfang der SPD im Eifelkreis Bitburg-Prüm: Noch einmal feiern, bevor es ernst wird für die Partei. Am Mittwoch übernimmt Malu Dreyer die Amtsgeschäfte von Ministerpräsident Kurt Beck, am Sonntag wählt Niedersachsen - und dann will ja im weiteren Verlauf des Jahres Peer Steinbrück den schlecht bezahlten Posten von Bundeskanzlerin Angela Merkel erben. Eine ganz andere Frage beherrschte allerdings den Empfang am Sonntag in der Prümer Karolingerhalle: Wird Jakob Maria Mierscheid, der legendäre Bundestagsabgeordnete aus Morbach im Hunsrück, wirklich kommen? Und sprechen? Sich gar fotografieren lassen?
Die Antwort: nein. Das politische Phantom ließ sich auch diesmal nicht blicken. Mit gedämpfter Enttäuschung nahmen die knapp 100 Gäste die Nachricht entgegen, mit der sie die Kreisvorsitzende Monika Fink begrüßte. Größer war da schon der Zuspruch für die Festrede, die Mierscheid seinem Vertreter mitgegeben hatte: Marcus Heintel, Mitglied des Kreistags Bernkastel-Wittlich und Mierscheids ehemaliger Referent, pardon, "Referent". "Ich kann Ihnen versichern: So knapp wie heute war\'s noch nie", sagte Heintel. Mierscheid sei praktisch schon auf dem Weg gewesen - dann aber habe die schwere Erkrankung seiner ältesten Haubentaube Gerda die Reise nach Prüm verhindert. Genug gewitzelt: Heintel lieferte in Mierscheids Namen eine überzeugende Festrede, die durchaus ernsthaft auf die 150-jährige Geschichte der Sozialdemokratie einging, angefangen bei den Gründern um Ferdinand Lassalle und ihrem Kampf gegen die Ausbeutung der Arbeiter.
Er erinnerte an "große Frauen und Männer", die für ihre Überzeugung ihr Leben ließen und die auch in der dunkelsten Zeit zu ihren Überzeugungen standen: So auch beim Ermächtigungsgesetz 1933: "Die Einzigen, die dagegen waren, waren die Sozialdemokraten."
Zum Schluss warf Heintel-Mierscheid noch einen Blick nach vorn - und auf die Dinge, die es wohl in zwölf Monaten nicht mehr oder immer noch nicht geben werde: pünktliche Züge der Bahn, FDP im Bundestag, einen Flughafen Berlin-Brandenburg und den Weltuntergang.
Mierscheids "Stimme" kam gut an: Nicht so bierernst und auch deshalb "erfrischend" fand Markus Fischbach, Kreisvorstand aus Prüm, die Rede. Der stellvertretende Kreisvorsitzende Rainer Hoffmann aus Arzfeld sah es genauso. Zumal Heintel gleichzeitig daran erinnert habe, dass es lange Zeit nicht so einfach war, sich in der Eifel zur SPD zu bekennen.
Aus dem Kreis Vulkaneifel dabei: SPD-Bundestagskandidat Jens Jenssen. Er rief seine Kollegen dazu auf, den Mut der vielen Menschen, die sich in 150 Jahren für soziale Gerechtigkeit stark gemacht hätten, in die anstehenden Wahlkämpfe mitzunehmen. Deutschland müsse "moderner, gerechter, solidarischer" werden. Es dürfe nicht sein, dass arbeitende Menschen zu wenig verdienen, um ihre Familie zu ernähren, während bei Manager-Gehältern "jegliches Maß" verloren gegangen sei.
Extra

Die SPD-Kreisvorsitzende Monika Fink dankte dem scheidenden Ministerpräsidenten Kurt Beck - "ein Sozialdemokrat, dem es wirklich um die Menschen geht". Beck habe in seinen 18 Regierungsjahren maßgeblich dazu beigetragen, dass Rheinland-Pfalz "nun auch eine sozialdemokratische Tradition hat". Außerdem verwies sie auf die Willy-Brandt-Ausstellung zum 100. Geburtstag des 1992 gestorbenen Bundeskanzlers in der Kreissparkasse Bitburg-Prüm. Sie beginnt am Montag, 21. Januar. fplExtra

Jakob Maria Mierscheid bestreitet regelmäßig seine Nichtexistenz - dabei wurde er mutmaßlich von den beiden ehemaligen SPD-Abgeordneten Peter Würtz und Karl Haehser erfunden. Der Morbacher sitzt angeblich seit 1979 im Bundestag. fpl

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