Umweltschutz Eine Kugel macht alles klar

Arzfeld/Koblenz · Plastik und chemische Rückstände: Wie holt man das aus dem Wasser raus? Die Arzfelder Kläranlagen-Bauer von Zahnen Technik haben dafür ein neues Verfahren mitentwickelt.

 Herbert Zahnen.

Herbert Zahnen.

Foto: Fritz-Peter Linden

Plastik, Pestizide, Pharmazeutika: Reste davon, oft winzig klein, landen im Abwasser und in der Kläranlage – in den vergangenen Jahren immer mehr davon. Und bisher können sie nicht aus dem Wasser gezogen werden. Zumindest nicht ohne immensen Aufwand. Beispiel Plastikrückstände: Die finde man unter anderem „in Duschgels, die sich so peeling-mäßig anfühlen“, sagt Herbert Zahnen, Chef des Kläranlagen-Unternehmens Zahnen Technik in Arzfeld (Eifelkreis Bitburg-Prüm). „Das ist alles Mikroplastik.“ Auch aus sogenannter Funktionskleidung für Sportler werde das Material in Form von Fasern ausgewaschen, „und zwar nicht zu knapp“.
Nicht nur die Plastikpartikel sind schwer aus dem Wasser zu bekommen. Auch chemische Verbindungen in Medikamenten und deren Rückständen bereiten Probleme – und Pestizide, wie sie etwa in der Landwirtschaft ausgebracht werden. Hinzu kommen Einträge wie der Abrieb von Autoreifen oder Bremsbelägen, der über Oberflächenwasser weggespült wird und in die Anlagen wandert, ebenso wie die Farbe von Hausfassaden, Straßenmarkierungen oder industrielles Abwasser. „Und der ganze Plastikmüll, der einfach in der Natur oder im Meer landet.“

Zahnen ist einer von drei Partnern im Projekt „Wasser 3.0“: Seinen Anfang nahm es an der Universität Koblenz-Landau unter Federführung von Juniorprofessorin Katrin Schuhen, Dritter im Bund ist der Karlsruher Spezialchemikalienhersteller abcr GmbH. Die Wissenschaftler begannen 2012 am Landauer Campus mit ihrer Forschung und haben mit den beiden Partnern inzwischen laut Mitteilung nichts weniger entwickelt als eine Technologie, die das Wasser „weltweit von unerwünschten Spurenstoffen befreien kann“ und zudem wenig kosten soll.

Kern des Konzepts sind „anorganisch-organische Hybridkieselgele“. Klingt stark nach Chemieunterricht, kennt aber fast jeder: Das Kieselgel, in Form kleiner Kugeln, bindet Flüssigkeit und wird deshalb auch in Katzenstreu verwendet oder der Verpackung von Produkten beigelegt, an die keine Feuchtigkeit kommen soll. „Die Basis dafür ist Siliziumdioxid, ein Bestandteil von Sand“, sagt Katrin Schuhen.

Das Gel werde in der Kläranlage in der sogenannten vierten Reinigungsstufe verwendet, sagt Zahnen. Aktuell verfüge man nur über drei Stufen – und zwar die mechanische, biologische und chemische. Dabei aber würden weder Plastikreste noch pharmazeutische Rückstände entfernt. Und wenn doch, dann nur unter einem hohen technischen, energetischen und finanziellen Aufwand. Das neue Verfahren wäre deutlich billiger und würde kaum bauliche Veränderungen in den Anlagen verursachen.

Das Gel, sagt Zahnen, „verbindet sich mit den Stoffen im Wasser, verändert seine Dichte, schwimmt auf, und wir schöpfen es ab“. Die Pilotversuche dazu in einer Kläranlage der Entsorgungs- und Wirtschaftsbetriebe in Landau seien vielversprechend verlaufen, sagen die Wissenschaftler. „Die Abfallprodukte landen nicht mehr im (Klär-) Schlamm und benötigen kein aufwendiges Trennkonzept, sondern können unmittelbar weiterverwertet werden.“ Alle eingesetzten Chemikalien seien zudem „ökotoxikologisch unbedenklich“. Man trete damit den Beweis an, dass auch mit solchen platzsparenden Systemen „eine erhebliche Wasserqualitätssteigerung erzielt werden kann“, sagt Katrin Schuhen. Klingt durchaus sensationell. Oder? „Das stimmt“, sagt die Wissenschaftlerin im Gespräch mit unserer Zeitung. „Wenn das funktioniert, hätten wir quasi eine Lösung, die nachhaltig und effizient ist und alles aus dem Wasser rausholt, was nicht reingehört. Und das wäre nicht nur deutschlandweit, sondern auch international die Lösung, die dringend gebraucht wird.“

 Blitzsauberes Wasser: Das wäre der Effekt des neuen Verfahrens, an dem auch Zahnen Technik aus Arzfeld beteiligt ist.

Blitzsauberes Wasser: Das wäre der Effekt des neuen Verfahrens, an dem auch Zahnen Technik aus Arzfeld beteiligt ist.

Foto: Fritz-Peter Linden
 Vorher-nachher: Mikroplastikteilchen, bevor und nachdem sie in der Kläranlage "eingefangen" und gebunden wurden.

Vorher-nachher: Mikroplastikteilchen, bevor und nachdem sie in der Kläranlage "eingefangen" und gebunden wurden.

Foto: Projekt Wasser 3.0

„Wir gehen jetzt erstmals damit in die Öffentlichkeit“, sagt Herbert Zahnen (siehe Info). „Marktreif sind wir dann frühestens Anfang nächsten Jahres.“ Dass man mit dem Verfahren, dessen Entwicklung der Bund erheblich gefördert habe, große Chancen am Markt habe, bezweifelt er nicht: „Der Bedarf ist riesig.“

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