Herbert Blum aus Ormont wird Schmetterlingsforscher Vom Fahrdienstleiter  zum Falterfachmann

Ormont/Philippsheim · Und plötzlich ist man Experte: Als er vom Insektensterben erfuhr, begann sich Herbert Blum aus Ormont mit Schmetterlingen zu befassen, machte viele Entdeckungen und plant jetzt ein Buch.

 Entdeckungen von Herbert Blum. ein „Russischer Bär“ (links) und ein Schwalbenschwanz (rechts).

Entdeckungen von Herbert Blum. ein „Russischer Bär“ (links) und ein Schwalbenschwanz (rechts).

Foto: Herbert Blum

Früher kannte er höchstens fünf. Heute sind es mehr als 100: Herbert Blum aus Ormont, Fahrdienstleiter am Bahnhof Philippsheim in der Nähe von Speicher, hat die Lepidopterologie für sich entdeckt. Lepi ... wie? Genau: Schmetterlingskunde.

Man glaubt ja kaum, für was man sich so alles interessieren kann. Die bunten Falter? Sind irgendwie selbstverständlich: Man registriert sie, freut sich an ihrem Anblick und wundert sich höchstens darüber, wie etwas so Zartes überhaupt länger als zwei Minuten überleben kann, sobald es einmal den Elementen ausgesetzt ist. Oder einem Kühlergrill in voller Fahrt.

Herbert Blum aus Ormont ging es ähnlich. Er interessierte sich die meiste Zeit seines bisher 62-jährigen Lebens nicht so sehr. Aber dann: „Auslöser waren die alarmierenden Meldungen über das Insektensterben“, sagt er. Also „wollte ich herausfinden, welche Schmetterlinge man überhaupt noch in der Eifel findet und begab mich mit Kamera und Makro-Objektiv auf die Suche.“

Und zwar, genau: in Ormont und in Philippsheim. Und an genau diesen beiden Orten machte er die schönsten Entdeckungen. Denn einmal damit angefangen, wuchs sein Interesse, „und zwar ziemlich flott“, sagt Blum. „Da kommt dann auch der Jagdinstinkt – dass man immer noch mehr finden will.“

Und er lernte, lernte, lernte, er beschaffte sich Bücher über Schmetterlinge, denn bei jedem neuen Falter kam sofort die Frage: „Was ist denn das für einer?“, erzählt Herbert Blum. Das aber herauszufinden, „das geht schlecht übers Internet. Sondern nur über Bücher.“
Also: fotografieren, nachschlagen, Falter finden. Damit das noch besser gelang, „machte ich mich auch mit den Nahrungspflanzen der filigranen Tiere vertraut, damit ich wusste wo ich sie finden konnte. Und wenn man dann mit dem Auto durch die Gegend fährt, sieht man eine blühende Wiese und weiß: Da sind die!“

Nicht nur das: „Faszinierend sind nicht nur die Falter selbst, sondern auch ihre Namen“, sagt Blum und zählt auf: Landkärtchen, Schornsteinfeger, Kaisermantel, Thymian-Ameisenbläuling (das muss man erstmal fehlerfrei aussprechen), Rotbraunes Ochsenauge, Waldbrettspiel, Nierenfleck-Zipfelfalter, Elfenbein-Flechtenbärchen, Federgeistchen oder den Moorwald-Adlerfarnspanner.

Tolle Zungenbrecher. Aber auch so ein Zitronenfalter erweist sich als spannender Typ: Über den fand er heraus, dass er im Winter „ungeschützt unter dem Schnee überlebt. Der hat so ne Art Frostschutz.“

Der Distelfalter wiederum beeindruckt durch eine fast unglaubliche Leistung: Denn der kommt im Frühjahr „von Afrika über Italien und die Alpen in die Eifel geflogen“. Leider mache er sich aber eines Tages dann auch wieder auf den Weg zurück – und sei dann zu schwach, um die Strecke noch einmal zu schaffen.

Blum stellte außerdem fest, dass die Tiere vom langen, heißen Sommer profitierten: Auch der Schachbrettfalter, den der Bund für Umwelt und Naturschutz und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen zum Falter des Jahres 2019 kürten. Damit wolle man „auf die Bedrohung dieses Falters durch die intensive Landwirtschaft aufmerksam machen. In vielen Teilen unseres Landes ist er schon recht selten geworden.“

Das Thema liegt auch Blum am Herzen: „Es geht viel Lebensraum verloren durch das Mähen, das geschieht oft ohne Sinn und Verstand.“ Das gelte aber auch bei neuen Windkraftanlagen: Die seien zwar „im weitesten Sinn umweltfreundlich“, sagt er. „Aber in den ersten Jahren wird die Natur zerstört.“ Mittlerweile hat Blum bereits 110 verschiedene Arten nachweisen können. In seiner Heimat Ormont und „im kleinen, wunderschönen Örtchen Philippsheim. Da habe ich auf einer Fläche, die halb so groß ist wie ein Fußballfeld, 80 verschiedene Schmetterlinge gefunden.“ Weitere Blum’sche Entdeckungen? Aber bitte: „der imposante Schwalbenschwanz, den ich zwei Jahre vergeblich gesucht hatte. Ebenso der wunderschöne Russische Bär, ein tagaktiver Nachtfalter, der auch Spanische Fahne genannt wird.“

Besonders gefreut hat ihn, dass er auch den Westlichen Scheckenfalter aufstöbern konnte, „der in Nordrhein-Westfalen als ausgestorben gilt und in Rheinland-Pfalz auf der Roten Liste geführt wird. Ebenso der Schlüsselblumen-Würfelfalter und der Baum-Weißling, die auch auf der Roten Liste erscheinen und zwar als ,stark gefährdet’.“ In Deutschland gebe es etwa 3700 Schmetterlingsarten, sagt Blum, einige kommen nur regional begrenzt vor: „Bestes Beispiel hierfür ist der Moselapollo, der nur bei Valwig an der Mosel zu finden ist.“

Bisher sind bei seiner Forscherei bereits mehr als 3000 Fotos entstanden. Deshalb überlegt er auch, ein Buch darüber zu verfassen – gern mit Hilfe von Sponsoren. Wäre doch schön, wenn daraus etwas würde – zumal er in sehr guter Tradition arbeitet.

Immerhin war der Schriftsteller Vladimir Nabokov ebenfalls ein großer Schmetterlingsforscher: „Und am meisten genieße ich die Zeitlosigkeit, wenn ich – in einer aufs Geratewohl herausgegriffenen Landschaft – unter seltenen Schmetterlingen und ihren Futterpflanzen stehe“ (aus „Erinnerung, sprich!“). Herbert Blum und die Schmetterlinge der Eifel: Sein Leben bestimmten sie nicht, sagt er, „aber ganz sicher den allergrößten Teil meiner Freizeit“.

Wobei: Wenn er einmal ins Erzählen kommt, könnte es länger werden. „Wenn ich einmal damit anfange, dann hör ich nicht mehr auf. Ich könnte zu jedem was erzählen.“

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