Hier stehe ich ...

ich kann nicht anders. Dieser Satz ist der Legende nach 496 Jahre alt und bringt einen Prozess zum Abschluss, der heute vor 500 Jahren ausgelöst wurde.

Hier stehe ich ...
Foto: Katja Bernardy (kat) ("TV-Upload Bernardy"

Die 95 Thesen von Martin Luther gegen den Ablass blieben nicht unwidersprochen. Es kam zum Prozess vor dem Papst und zum Prozess vor dem Kaiser. Aus der Kirche verbannt war Luther bereits, nun drohte der Kaiser nachzuziehen und Luther "zum Abschuss freizugeben". Letzte Chance einzuknicken war der Reichstag in Worms (April 1521). Aber Luther sagte vor der versammelten Mannschaft: "Ich kann und ich will nichts widerrufen von dem, was Gott und mein Gewissen mir vorgeben. Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen."
Es ist oft nicht einfach, die Stimme zu erheben und einzuschreiten, wo nach unserer Erkenntnis falsche Wege beschritten werden, oder zu sagen: Da kann und will ich nicht mitmachen. Denn es kann passieren, dass ich da durchaus erst einmal ganze Zeit alleine mit meiner Meinung dastehe. Andere könnten mit ihren Anwälten angerückt kommen. Es kann sein, dass andere mich als "postfaktisch" titulieren oder sonstwie belächeln. Und schon sehen wir uns vor die Frage und vor die Entscheidung gestellt: Gehe ich nun den einfachen Weg? Oder den richtigen?
Gefahr an Leib und Leben müssen wir heute nicht mehr fürchten. Keine direkten Gefahren jedenfalls. Aber es gibt genug, was Menschen heute langfristig körperlich oder seelisch krank oder abhängig macht. Wir leben alle viel mehr in weltweiten Zusammenhängen. Und mit der Art und Weise, wie ich einkaufe, stütze ich gerechte oder ungerechte Systeme. Für eine bessere Welt einzutreten, mich für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, mag zwar postfaktisch sein, aber ich will mir diese Vision beibehalten. Hier stehe ich. Amen.
Pfarrer Clemens Ruhl, Evangelische Kirchengemeinde Prüm

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