Umwelt Nach Pipeline-Unfall in Lichtenborn - Wurde hier gepfuscht?

Lichtenborn/Stalbach · Ein Landwirt wirft den Behörden vor, bei der Sanierung des Pipeline-Unfalls in Lichtenborn geschlampt zu haben. Ist da was dran?

 Bis hierhin und vorerst nicht weiter: An dieser Stelle endet die Baustelle. Landwirt Erwin Meyer glaubt aber, dass die Belastung hinter dem Bauzaun weitergeht.

Bis hierhin und vorerst nicht weiter: An dieser Stelle endet die Baustelle. Landwirt Erwin Meyer glaubt aber, dass die Belastung hinter dem Bauzaun weitergeht.

Foto: TV/Christian Altmayer

Es riecht streng auf dem Feld von Erwin Meyer. Benzingeruch sticht jedem in der Nase, der an der Baustelle vorbeigeht. „Nach dem Unfall hat es gestunken wie bekloppt. Die Arbeiter mussten mit Atemschutzgeräten anrücken“, sagt der Landwirt aus Stalbach, einem Ortsteil von Lichtenborn. Rund 2636 Tonnen Erdreich haben die Bagger bereits bewegt, heißt es von der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm. Milchbauer Meyer reicht das nicht. „Schlamperei“ nennt er, was die Behörden unter einer Sanierung verstehen.

Anfang September hatte ein Pflug eine unterirdische Pipeline zerschnitten (der TV berichtete). Die Firma Abo-Wind hatte ein Bauunternehmen damit beauftragt, Kabel zu verlegen. Bei diesen Arbeiten kam es zu einer Havarie. Eine Fontäne von Treibstoff ergoss sich aus der Leitung in die Landschaft. Und verunreinigte dabei nicht nur Gemeindeland auf dem Geh- und Radweg, sondern auch Meyers Acker.

Aber nicht nur das Feld bereite ihm Sorgen, sagt der einzige Anlieger. Die Sanierung habe zu spät begonnen und sei nicht umfassend angegangen worden. Außerdem ducke sich die Behörde weg, die zuständig wäre. Eine Bestandaufnahme:

Der Zeitpunkt: Passiert ist der Unfall am 5. September. Am 26. September rollten die Bagger an. In diesen drei Wochen, sagt Meyer, habe es in Stalbach geregnet. Und das Wasser habe „die verseuchte Brühe“ in die Umwelt gespült. Sein Fazit: „Die sind viel zu spät gestartet.“

Bei der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm sieht man das anders. Auf TV-Anfrage schreibt ein Pressesprecher, es habe kein „schuldhaftes Zögern“ gegeben. Mit anderen Worten: Schneller hätte man die Erde nicht wegschaufeln können. Erst Ende September hätten Boden- und Wassergutachten vorgelegen.

Die Zuständigkeit: Weil es nach der Havarie also schnell gehen musste, blieb nicht viel Zeit, einen Schuldigen zu suchen. Die Kreisverwaltung nahm sich des Falles an, obwohl sie nicht zuständig ist. Die Kosten von geschätzt einer halben Million Euro will sie dem Verantwortlichen – so er denn gefunden wird – in Rechnung stellen.

Eine Sprecherin des Projektierers Abo-Wind sieht ihr Unternehmen nicht in der Verantwortung: Die Pipeline sei weder der Firma, noch dem Subunternehmer bekannt gewesen. Auch bei einer Einweisung vor Ort sei nicht zur Sprache gekommen, was im Erdreich schlummert.Meyer glaubt aber, dass eine Behörde das hätte wissen müssen: die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz Bima. Die Stelle in Bonn verwaltet ehemalige militärische Liegenschaften. Ihr gehören auch die Pipelines, die bis Anfang der Neunziger Jahre ein Tanklager der französischen Armee versorgte. „Befremdlich“, findet es der Landwirt daher, dass die Bima keine Karten von den Leitungen gehabt haben will. Der Landwirt hat nämlich eine, die er dem TV zeigt. Auf dem Dokument aus dem Jahr 1998 ist der Verlauf des Rohres zu erkennen, das durch den Acker führt.

So eine Karte hätte die Baufirma gebrauchen können, die im September die Rohre verlegte. Doch auch auf Nachfrage hatte niemand das Unternehmen oder den Auftraggeber Abo-Wind vorgewarnt. Beide Firmen hätten eine Leitungsabfrage getätigt, erklärt die Sprecherin: „Es wurde aber in keiner unserer Abfragen auf den Leitungsabschnitt hingewiesen.“

Das ist auch für Abo-Wind ärgerlich. Denn der Firma sei ein Schaden in unbekannter Höhe entstanden. Mitarbeiter mussten ein bereits verlegtes Stück Kabeltrasse kappen und austauschen. Dadurch konnte die Leitung nicht zeitplangemäß fertiggestellt werden, was zu Folgekosten führen wird. Wer dafür aufkommt, werde derzeit geklärt, sagt die Unternehmenssprecherin.

Die Bima fühlt sich nicht zuständig. Die Papiere seien verschollen, argumentiert ein Sprecher der Behörde auf TV-Anfrage: „Die Tatsache, dass wir derartige Unterlagen nicht mehr vollständig zur Verfügung haben, ist darauf zurückzuführen, dass die Anlage seit 30 Jahren außer Betrieb ist.“ Aber ist sie das wirklich?

Die Rohre: Das Rohr ist zugeschweißt. Landwirt Meyer glaubt aber, dass es jederzeit wieder zu einem Unfall kommen könnte. Denn die Pipelines, die umliegende Felder durchziehen, seien nicht leer. Es müsse nur jemand seinen Acker pflügen und ein Schaden sei passiert. Beweise für diese Theorie hat er nicht. Aber auch der Lichtenborner Ortsbürgermeister Alois Leick sagt: „Die Rohre müssen raus.“

Bei der Bima ist man anderer Meinung. Es sei nicht geplant, die Leitungen zu spülen oder zu entsorgen: „Wir gehen nach wie vor von einer ordnungsgemäßen Stilllegung der Pipeline aus.“ Aber wie konnte dann so viel Sprit raussprudeln? Dazu hat die Bima keine Erkenntnisse. Der Pressesprecher deutet an, es könnte sich bei dem Austritt um Resttreibstoff handeln, der sich beim Spülen mit Wasser vermischt habe. Aber lässt sich die hohe Belastung der Landschaft so erklären?

Ein Gutachter, der die Fläche beprobt hat, ließ mehrere diesbezügliche Anfragen unserer Zeitung unbeantwortet.

Die Belastung: 70 000 Euro hat sein Gutachten die Kreisverwaltung gekostet. Hinzukamen rund 485 000 Euro Entsorgungskosten für das Erdreich. Geht es nach Landwirt Meyer, müsste viel mehr weggeschaufelt werden. Entlang des Radweges und bis weit in seinen Acker hinein sei der Boden verunreinigt. Auch Andreas Kruppert, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Arzfeld, sagt: „Selbstverständlich erwarte ich, dass alle Bereiche, in denen die Kontamination gesetzliche Werte überschreitet, saniert werden.“

Doch laut der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD-Nord) sind die Werte abseits der Baustelle unbedenklich. „Bekanntermaßen befinden sich entlang des Radweges Restbelastungen. Diese liegen jedoch unterhalb der Schwelle der Gefahrenabwehrmaßnahmen, die Polizei- und Ordnungsbehörden zwingen würden, tätig zu werden.“ Für Wasser und Boden bestehe daher keine Gefahr. schreibt eine Sprecherin der Landesumweltbehörde.

Dorfchef Alois Leick ärgert sich: „Das ist für mich nicht zufrieden­stellend.“ Er habe die Befürchtung, dass letztlich die Gemeinde und der Landwirt als Grundstückseigentümer für Schäden haften werden.

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