Landwirt aus Giesdorf riskiert einen Neuanfang - Bio statt konventionell

Giesdorf · Es ging nicht mehr: Markus Hockertz, Bauer aus Giesdorf, hat sich von der konventionellen Milcherzeugung verabschiedet. Die Umstellung auf Bio kostet ihn zunächst Einbußen - das Jahr wird hart.

 Gewagter Schritt: Markus Hockertz stellt seinen Hof auf Bio um. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Gewagter Schritt: Markus Hockertz stellt seinen Hof auf Bio um. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

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Giesdorf. Der Nächste schwenkt um: Markus Hockertz, der in der dritten Generation den Hof der Familie in Giesdorf betreibt, hat zum Jahresbeginn auf Bio umgestellt. Das heißt für ihn zunächst: höherer Aufwand, mehr Kosten, größerer Verlust. Denn der deutlich bessere Milchpreis, aktuell knapp 50 Cent fürs Kilo statt 28 für konventionelle Milch, wird erst nach einer Übergangsphase von zwei Jahren ausgezahlt.
"Es war nur noch ein Überleben", sagt der 32-Jährige im Gespräch mit dem TV zur Begründung seines Schritts. Von Geldverdienen habe schon lange keine Rede mehr sein können - "jeden Monat gehen bei mir Minimum 2000 Euro kaputt". Und das gelte angesichts der Dauer-Tiefpreise (der TV berichtete mehrfach) für viele Landwirte: Er habe die Sorge, dass bald einer "zum Strick greift".
Markus Hockertz muss nun unter strengeren Auflagen produzieren, unter anderem darf er auf seinen 100 Hektar förderfähiger Flächen keinen Dünger aufbringen, keinen Pflanzenschutz verwenden, er muss Biosaatgut kaufen (siehe Extra). Seinen Rinderbestand hat er von rund 100 auf 80 Kühe inklusive Jungtieren verkleinert. Damit aber bricht für ihn noch lange nicht die Zeit des großen Geldverdienens an: Die Bio-Produktion ist teurer, bringt weniger Ertrag - und vor allem erhält er den besseren Milchpreis erst frühestens im kommenden Jahr. Einziger Ausgleich: eine EU-Förderung von 300 Euro pro Hektar, die ihm Ende Dezember überwiesen wird.Der Verbraucher ist nicht schuld


Kann er das überhaupt schaffen? "Ich bin schon der Meinung" sagt er. "Den Kopf in den Sand stecken ist das Letzte, was ich mache." Dahinter steht auch eine Überzeugung, wie er klarmacht: "Mehr ist nicht immer besser." Das gelte "für uns als Menschen, als Verbraucher und für die Natur". Apropos Verbraucher: "Das ist mir auch wichtig: Dass man als Bauer auch mal in der Öffentlichkeit sagt, dass nicht der Verbraucher unser Problem ist. Der ist nämlich bereit, mehr zu bezahlen, wenn er weiß, dass das Geld auch beim Erzeuger ankommt." Das habe ihm auch ein Ausflug mit seiner Frau Melanie nach Köln gezeigt: Es sei erstaunlich gewesen, wie viele Kunden dort "ins Bioregal greifen". Mit der Umstellung, sagt Markus Hockertz, habe er sich aber nicht von seinen Kollegen im Bauernverband oder im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) verabschiedet, im Gegenteil: "Landwirt ist Landwirt, ob Bio oder nicht. Viele sagen: Du machst doch jetzt Bio, da kann dir alles scheißegal sein."
Ist es aber nicht. Und deshalb wünscht er sich auch, dass die Vertreter von Bauernverband und BDM nach dem Zoff der vergangenen Monate um die Frage, wie man den fallenden Preisen entgegenarbeiten kann, wieder an einen Tisch kommen und miteinander reden. Markus Hockertz: "Es geht allen besser, wenn wir zusammenhalten."
Der Landwirt will übrigens nicht nur mit der Zeitung sprechen - er will seinen Hof für alle öffnen: "Ich wäre auch bereit, die Leute einzuladen und zu sagen: Kommt zum Hof, fragt, was ihr fragen wollt, guckt euch an, wie die Milch produziert wird." fplMeinung

Mut der Verzweiflung
Das darf man dem Giesdorfer Bauern zugute halten: Bevor er alles hinschmeißt, setzt er auf eine teure Umstellung und versucht tapfer einen Neuanfang. Der ist alles andere als einfach, denn "Bio" wird nur funktionieren, wenn auch die Überzeugung dahinter echt ist und man nicht nur nach dem populären Etikett schielt. Markus Hockertz traut sich damit an die Öffentlichkeit, damit setzt er zunächst einmal das richtige Zeichen. Man wünscht ihm Glück. f.linden@volksfreund.de

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