Fußballliteratur Mit sportlichem Gruß und Ball am Fuß

Pronsfeld/Stommeln · Professor, Pronsfelder, Fußballfan: Klaus Hansen, sein neues Buch zum beherrschenden Thema und die Frage, wer den Titel holt.

 Fußballliterarischer Flankengott: Klaus Hansen.

Fußballliterarischer Flankengott: Klaus Hansen.

Foto: Fritz-Peter Linden

Anpfiff zur WM in Russland, morgen geht’s los, da kommt dieses Buch wie rechtzeitig eingewechselt: Klaus Hansen, in der Eifel (Pronsfeld) geboren und im Rheinischen (Krefeld) nach seiner Professorentätigkeit als Politikwissenschaftler emeritiert, hat sich erneut dem Fußball gewidmet. Titel: „soccer.“ Tonfall: locker.

Und eben gar nicht professoral, sondern, wie zuletzt auch in seinem Band „Draußen nur Ännchen“ (vom TV ebenfalls empfohlen), wie es sich gehört: verspielt, gewitzt und voller Weisheit. Wie dieser hier, vom legendären Spieler und Trainer Alfredo di Stefano: Wenn früher ein Elfmetertor fiel, sagte der große Argentinier, habe es unter den Spielern keinen Jubel gegeben. Man hätte sich nämlich zu sehr geschämt, das Ausnutzen eines solchen Vorteils auch noch zu feiern. Und zur Vermeidung von Eigentoren zitiert Hansen noch einmal Günter Netzer: Eigentore? „So weit bin ich nie zurückgelaufen.“

 “Soccer“-Buchumschlag.

“Soccer“-Buchumschlag.

Foto: Klaus Hansen/Roland Reischl Verlag

Dazwischen immer wieder Hansens typografische Spielereien – und „lyrics“, gedichtartige Kombinationen fuballaffiner Funde. Wie zum Beispiel die etwas andere Deutschland-Elf, die quasi aus Ballsport-Orten besteht, darunter 04860 Torgau, 37632 Holzen, 84529 Ledern, 14913 Schlenzer, 19406 Bolz und, klar, 56689 Kickeshausen (Verbandsgemeinde Arzfeld), wenn auch nur auf der Bank. Immer noch besser als gar nicht berücksichtigt zu werden, wie, verständlicherweise, 84137 Schussöd.
Am Ende aber muss Hansen dann doch einmal ernst werden: Denn der Sport, wir wissen es alle, ist heruntergekommen, betrieben von „abgezockten Medienprofis, die mit schräg aufgesetzten Baseballkappen betont lässig und gelangweilt durch die Gegend staksen“ und „in ihrer rudimentären Twittersprache miteinander reden“, allesamt „steinreiche Sixpacks, die sich rühmen, an einem Tag gleich drei Nobelkarossen auf einen Schlag gekauft zu haben“. Nein, sagt Hansen zum Abpfiff, die Zeit der schönen Fußballgeschichten „ist endgültig vorbei“.

 Geht auch mal ans Netz: Klaus Hansen.

Geht auch mal ans Netz: Klaus Hansen.

Foto: Fritz-Peter Linden

Das war, so vermuten wir, dann auch gleich das entscheidende Wort zur Weltmeisterschaft. Und falls es zwischen Moskau, Sotschi und Kasan ganz schlimm wird: einfach zu diesem Buch greifen, es hilft.

 Illustration aus dem Buch von Klaus Hansen.

Illustration aus dem Buch von Klaus Hansen.

Foto: Klaus Hansen/Roland Reischl Verlag

Wo wir aber einen solchen Experten schon zur Hand haben, wollten wir noch etwas von ihm wissen: Wer wird gewinnen? Und: Mit welcher Einstellung geht Klaus Hansen ins Turnier? Eher lässig: „Es ist meine sechzehneinhalbte WM. Bei der ersten, der halben, war ich gerade sechs und erinnere mich nur noch an alte Männer in Pronsfeld, die am 4. Juli 1954 ihre Bauernschädel fast ins Radio steckten. Heute bin ich zu abgebrüht, um noch mitzufiebern.“ Man sei eben älter, „und der Fußball ist“ – siehe oben – „ein anderer geworden“.

Hansen erinnert an Theodor Heuss, der 1954 den Nationalspielern vor der Reise in die Schweiz sein „nun siegt mal schön“ zugerufen habe. „Dem möchte ich mich heute anschließen. Und wenn sie nicht siegen? Auch nicht schlimm! Zumal die Italiener und Holländer gar nicht dabei sind.“

Er erwartet ohnehin ein anderes Team als Champion: Nämlich die Mannschaft mit dem besten Paket „aus stabiler Abwehr und torgefährlichem Sturm“. Da habe zwar Brasilien „wahrscheinlich den besten dieser WM und Deutschland die beste Abwehr. Aber das beste Paket von beidem hat Frankreich. Von daher meine Prognose: Frankreich wird Fußballweltmeister 2018. Geheimfavorit ist Spanien.“

In den Kreis der vier Favoriten einbrechen könnten „erstens Argentinien, zweitens England, drittens Belgien oder Kroatien. Sollte der Sieger nicht aus dem Kreis der Acht kommen, sondern Portugal heißen, würde mich das viel mehr freuen als halbwegs richtig gelegen zu haben.“

Denn: „Das Unvorhersehbare, das Anarchische ist es, was wir am Fußball lieben“, sagt Klaus Hansen. „Und sind wir nicht auch deshalb Fußballfans, weil wir geil darauf sind, die Experten Lügen zu strafen? Experte ist doch nur das Fremdwort für Selbstüberschätzung.“

Klaus Hansen: soccer. stories, lyrics, essays, 148 Seiten, Illustrationen, Roland Reischl Verlag, Köln, 15 Euro.

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