Prozess nach Messerattacke: Notwehr, Totschlag- oder Mordversuch?

Trier/Hallschlag · Im Prozess um die Messerattacke in Hallschlag vor dem Landgericht Trier sind gestern Ermittlungsbeamte gehört worden. Dem Angeklagten wird versuchter Mord vorgeworfen, weil er sein Opfer von hinten angegriffen haben soll. Dies bestreitet der 21-Jährige. Die Erkenntnisse der Polizei sprechen jedoch eine andere Sprache.

Trier/Hallschlag. War es versuchter Mord oder "nur" versuchter Totschlag? Oder war es gar Notwehr, als ein 21-Jähriger nach einem Streit Ende Februar zu einem Steakmesser griff und in der Küche des gemeinsamen Hauses in Hallschlag acht Mal auf sein 55-jähriges Opfer einstach?
Dass er seinen angehenden Schwiegervater, der gleichzeitig sein Onkel ist, tatsächlich mit dem Messer attackierte, bestreitet der junge Mann mit den kurzgeschorenen Haaren und der regungslosen Miene auf der Anklagebank des Trierer Landgerichts nicht. Allerdings behauptet er, aus Angst das Messer gegriffen und eingeschritten zu haben, als sein Onkel mit erhobenener Hand auf die Tochter - seine Verlobte - losgehen wollte. Und er behauptet, dabei vor seinem Opfer gestanden zu haben und nicht hinter diesem. Das Opfer selbst trug am ersten Prozesstag Ende August nicht zur Aufklärung des Tatgeschehens bei: Der 55-Jährige machte als Onkel des Angeklagten von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und schwieg (der TV berichtete).
Umso mehr kommt es im Prozess auf die Erkenntnisse der Polizisten an, die Ende Februar am Tatort ermittelten: Auf dem Küchentisch hätten mehrere halbleere Schnaps- und Bierflaschen sowie gefüllte Aschenbecher gestanden, sagte gestern ein Kriminalhauptkommissar, der für die Spurensuche in der Küche zuständig und als Zeuge vor dem Landgericht geladen war. Was den 54-Jährigen stutzig machte: "Alles stand geordnet da, nichts war umgefallen."
Keine Anzeichen für einen Kampf also, wie sie zu erwarten wären, hätte der Angeklagte sein Opfer frontal attackiert. Auch hätten der Pullover und das T-Shirt des Opfers Materialbeschädigungen lediglich im Rückenbereich aufgewiesen - eben so, als seien die Stiche von hinten ausgeführt worden. Eine Attacke von hinten oder von vorne - juristisch ist dies entscheidend: Ein Angriff von hinten auf ein ahnungsloses Opfer wäre heimtückisch und damit ein versuchter Mord und nicht ein versuchter Totschlag.
In der kommenden Woche wird der Prozess fortgesetzt: Dann müssen die Ehefrau und die Tochter des Opfers als Zeuginnen vor Gericht erscheinen. neb

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