Rettet den Dialekt!

Prüm/Bonn · Das Institut für Landeskunde, eine Einrichtung des Landschaftsverbands Rheinland, bittet die rheinisch geprägten Eifeler Dialektsprecher um Mithilfe: Zurzeit entsteht ein Atlas der Sprachvarianten - je mehr Menschen dabei mitmachen, desto genauer fällt dieser aus.

 „Rheinische Richtungsangaben“ – die je nach Region ganz unterschiedlich klingen können. Foto: Istock/Stephan Zabel

„Rheinische Richtungsangaben“ – die je nach Region ganz unterschiedlich klingen können. Foto: Istock/Stephan Zabel

Prüm/Bonn. Die Dialekte sterben aus, daran ist nichts zu ändern: "Es heißt Abschied nehmen", sagt Georg Cornelissen, Sprachwissenschaftler beim Bonner Institut für Landeskunde des Landschaftsverbands Rheinland (LVR). "In Nordrhein-Westfalen gibt es nur noch ganz wenige alte Leute, die den Dialekt als Erstsprache erlernt haben."
Doch nicht überall ist die Situation gleich. Cornelissen hat während seiner Forschungsarbeit festgestellt, dass es eine deutliche "Nord-Süd-Bewegung" gebe: Am nördlichen Niederrhein sei kaum noch Dialekt zu hören, "in der tiefen Eifel ist es noch anders". Ähnlich sei die Situation im Hunsrück. Aber, da macht er sich und uns keine Illusionen, auch diese Regionen werden eines Tages dialektfrei sein, die Entwicklung sei nur zeitversetzt. Sein Fazit: "Es hört auf." Muss man das beklagen? Ein Mundartsprecher kann in seiner eigenen Zunge vieles besser, genauer, schöner ausdrücken als in der Hochsprache - aber eben nur für die wenigen, die ihn noch verstehen. Fest steht auch, dass die Dialekte einer Sprachlandschaft viele bunte Farben verleihen und ihre Sprecher (siehe Extra) weitere Vorteile genießen.
Entwicklung festhalten


Cornelissen wehrt sich aber in seinem Buch "Meine Oma spricht noch Platt" (Greven Verlag 2008) dagegen, den Dialekt gegen das Hochdeutsche in Stellung zu bringen. Das ist eine Erscheinung, der er genauso wenig abgewinnen kann wie dem Umstand, dass "vor noch nicht allzu langer Zeit die Dialektsprecher wegen ihrer Unbeholfenheit im Hochdeutschen verlacht" wurden. Den Spieß einfach umzukehren und den Dialekt über die Hochsprache zu stellen bringe nichts.
Ähnlich sieht es der Schweizer Sprachwissenschaftler und Literaturkritiker Peter von Matt in einem Artikel für den "Tagesanzeiger" - wobei er sich auf die Deutschschweizer und ihre Dialekte bezieht. Dass ein Mundartler den sprachlichen "Winkel" seiner Region liebe, sei verständlich, sagt von Matt, "und nichts ist dagegen einzuwenden". Wer aber die Hochsprache abwerte, "über die er mit der ganzen deutschen Sprachkultur verbunden ist und über die der geistige Austausch, das Geben und Nehmen denkender Köpfe wesentlich geschieht", der verfehle sich "gegenüber einem unersetzlichen Stück seiner Heimat".
Fragebogen im Internet


Für Cornelissen gilt vor allem, jenseits solcher Beurteilungen die Entwicklung der Sprache und der Dialekte zu untersuchen und festzuhalten. Das tut er auch in einem laufenden Projekt, "das auf einen Atlas der Sprachen des Rheinlands hinausläuft."
Dazu hat der Landschaftsverband im Internet einen Fragebogen bereitgestellt, den ausdrücklich auch Rheinland-Pfälzer ausfüllen sollen. Das gilt besonders für die beiden nördlichen Eifelkreise, denn dort wird vielerorts noch ein stark rheinisch geprägter Dialekt gesprochen. Zitat von der LVR-Website: "Wir freuen uns auch über jeden Westfalen und jede Einwohnerin von Rheinland-Pfalz, die mitmachen wollen. Denn die Grenzen von Dialekträumen decken sich nun einmal nicht unbedingt mit politischen Grenzen." Je mehr Dialektkundige dabei mitmachen, desto genauer und differenzierter wird der Sprachatlas ausfallen. Der Fragebogen ist noch einige Wochen lang abrufbar unter: www.rheinische-landeskunde.lvr.de/sprache
Und wenn die Dialekte sich verabschieden - was wird dann bleiben? Wahrscheinlich der, je nach Gebiet, immer noch unterschiedliche "Regiolekt" - das umgangssprachliche Halbhochdeutsch "mit Tupfern", sagt Cornelissen, also mit "dat" und "watt" statt "das" und "was". Und das, pardon: dat kann ja auch schön sein. Der Landschaftsverband betreibt im Internet auch das Mitmachwörterbuch zur Umgangssprache im Rheinland. Die Adresse: www.mitmachwoerterbuch.lvr.de
Extra

Wer neben der Hochsprache einen Dialekt gelernt hat, genießt wissenschaftlich nachgewiesene Vorteile: "Diglossie" - also die Fähigkeit, zwei Varianten einer Sprache (Hochdeutsch und Dialekt) zu beherrschen, erleichtert das Fremdsprachenlernen, verbessert die Rechtschreibung und resultiert in einem größeren Wortschatz. Wer jedoch ausschließlich mit Dialekt aufwuchs und die Hochsprache erst später lernte, hat diese Vorteile nicht unbedingt. fpl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort