Von Lust, Last und Lohn des Helfens

Jünkerath · Das kann man als erfolgreichen Abend bezeichnen: Die Verbandsgemeinde Obere Kyll und die Caritas haben um neue Willkommenspaten für Flüchtlinge in der Kommune geworben - und mehr als 30 Bürger trugen sich in die Liste ein.

 Amiri Bahawoddin. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Amiri Bahawoddin. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Foto: (e_pruem )

Jünkerath. "Weil ich einfach helfen will." So simpel ist die Antwort für Udo Klinkhammer aus Lissendorf auf die Frage, warum er sich am Ende des gemeinsamen Informationsabends von Caritas und Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll in die Liste der Willkommenspaten eingetragen hat. Mehr als 50 Bürger sind dabei, 23 von ihnen tragen sich ein, weitere zehn wollen ebenfalls Flüchtlingen helfen, wenn auch nicht gleich als Paten.
Das sei zwar, ergänzt Klinkhammer, für ihn als berufstätigen Menschen allein nicht zu schaffen. Aber wenn man ein paar weitere, verlässliche Leute drumherum habe, "dann funktioniert's und wird nicht zur erdrückenden Last".
Eben darum geht es auch an diesem Abend - niemand soll allein auf weiter Helferflur stehen. Maaike Thijs vom Caritasverband Westeifel legt dar, wie sich die Helfer miteinander vernetzen, dass man regelmäßig Treffen anbiete, bei denen die Teilnehmer viel voneinander lernten. Und was man in erster Linie von den Paten erwarte: "Nur Offenheit eigentlich."
Patenschaft als Last - das ist durchaus eine der Sorgen, die unter den Teilnehmern der Runde herrschen und von Marlene Guthausen bestätigt werden, die sich in Kerschenbach um eine Familie kümmert. Da komme viel Fahrerei zusammen - Schule, Behörde, Arztbesuch.
Von anderen Problemen erzählt Guido Heinzen, Ortsbürgermeister von Schüller: Gemeinsam mit seiner Frau Ursula kümmert er sich dort um 15 Flüchtlinge. "Was uns fehlt, sind Sprachmittler." Heinzen plädiert dafür, Dolmetscher zu Ehrenbeamten zu ernennen und für ihre Dienste zu bezahlen. "Wenn wir das hinbekommen, dann kommen wir noch schneller in die Integration." VG-Bürgermeisterin Diane Schmitz sagt zu, der Sache nachzugehen. "Wir müssen da den rechtlichen Rahmen klären. Aber auch da werden wir einen Weg finden."
Man muss nicht alles machen


Eine schon länger tätige Patin, Gisela Meyer aus Birgel, nimmt den Zuhörern ein wenig von ihren möglichen Sorgen: Sie wolle angesichts der vielen Dinge, die man tun könne, "um Himmels Willen" niemanden abschrecken. Auch sie berichtet von vielen Fahrten, die sie aber irgendwann reduziert habe. Im Prinzip habe ein Pate eine schlichte Aufgabe: "Helfen - dass sie sich hier zurechtfinden und sich integrieren." Zum Beispiel beim Einkauf: Da könne man en passant darauf hinweisen, wie Lebensmittel heißen, in denen kein Schweinefleisch steckt. Oder am Telefon Arzttermine abmachen - "damit kennen sie sich überhaupt nicht aus." Sinnvoll sei die anfängliche Begleitung, aber: "Man muss ihnen nicht alles abnehmen. Meine Erfahrung ist, dass sie zunehmend selbstständig werden. Und das macht Spaß."
Ein großes Problem aber stellen männliche, alleinstehende Flüchtlinge dar: Denen will kaum jemand nach ihrer Zeit in der Jünkerather Erstunterkunft eine Wohnung zur Verfügung stellen - ein Umstand, zu dem auch die Kölner Silvester-Übergriffe beigetragen haben. Aber Gisela Meyer und Annemie Finken, ebenfalls Willkommenspatin, legen für die Männer ihre Hand ins Feuer.
Fazit des Abends: Hilfe wird gebraucht, und an der Oberen Kyll sind viele dazu bereit. Wie auch die Jünkerather Familie Klug oder Irmgard und Raimund Geilenkirchen, früherer Chef der Graf-Salentin-Schule: Von Anfang an haben sie den Ankömmlingen beim Spracherwerb geholfen. Kurz: "Man muss bei dieser großen Aufgabe zusammenarbeiten", sagt Diane Schmitz. "Sonst werden wir das nicht bewältigen."
Zumal sich niemand gleich für alles zuständig fühlen müsse, wie Gisela Meyer unterstreicht: "Das ist kein Muss - man sucht sich einfach das aus, was man gerne macht." Ja, man opfere Zeit und Energie. "Aber wir bekommen auch sehr viel zurück." Sie erzählt von einer jungen Migrantin aus Eritrea, die sie immer wieder zum Arzt begleitet habe: "Inzwischen bin ich die Oma von ihrem kleinen Sohn."
"Vernetzung ist der Schlüssel", sagt Udo Klinkhammer. Und die ist an diesem Abend wieder ein Stück besser geworden.
Informationen über die Patenschaften erteilen Maaike Thijs beim Caritasverband unter Telefon 06592/95730 und Thomas Brost, Abteilungsleiter Bürgerdienste bei der Verbandsgemeinde unter Telefon 06597/16131.
Meinung

Wertvolles Engagement
Da sieht man, welche Probleme die übergriffigen Silvester-Arschgeigen in Köln zusätzlich zu ihren abstoßenden Taten hinterlassen haben: Junge, allein geflohene Männer will niemand haben. Wie erfreulich, zu erleben, dass die bereits aktiven Willkommenspaten an der Oberen Kyll für sie ein gutes Wort einlegen. Und dabei, gemeinsam mit den Verantwortlichen in Kommune und Hilfsorganisationen, zeigen: Man geht hier vernünftig und menschlich mit der Situation um, lässt sich von der Panikmache politischer Profiteure nicht verrückt machen - und kann damit Probleme verhindern, bevor sie überhaupt erst entstehen. Das ist (vor-) gelebte Integration. f.linden@volksfreund.deExtra

 Starke Beteiligung beim Informationsabend – mit dabei ist auch Schüllers Ortsbürgermeister Guido Heinzen (in blau). Rechts: Udo Klinkhammer. TV-Fotos (2): Fritz-Peter Linden

Starke Beteiligung beim Informationsabend – mit dabei ist auch Schüllers Ortsbürgermeister Guido Heinzen (in blau). Rechts: Udo Klinkhammer. TV-Fotos (2): Fritz-Peter Linden

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Wie man einen Weg findet, auch menschliche Konflikte zu lösen, erzählt Guido Heinzen: In Schüller waren die Männer von zwei afghanischen Familien sich in die Wolle geraten. Heinzen spannte Amiri Bahawoddin ein. Der Afghane diente der Bundeswehr in Kabul als Übersetzer, daher kennt er auch Heinzen, der dort als Soldat im Einsatz war. Bahawoddin kam nach Abzug der Deutschen mit Frau und Kindern in die Bundesrepublik, seit eineinhalb Jahren lebt der in Leipzig diplomierte Sportwissenschaftler in Jünkerath, arbeitet für den Vulkaneifelkreis als Übersetzer und unterrichtet stundenweise Sport an der Graf-Salentin-Realschule plus ("Ich trainiere auch die C-Jugend", sagt er). Amiri Bahawoddin setzte einen Vertrag auf, in dem sinngemäß stand: Wer sich nicht beträgt, muss zurück in die Erstaufnahme. Die Streithähne unterschrieben. Heinzen: "Das hat wunderbar geklappt." Bahawoddin ist derzeit neben dem früheren Lissendorfer Allgemeinarzt und gebürtigen Libyer Ali El Daibani einer von zwei Übersetzern, die an der Oberen Kyll Sprachhilfe leisten. Alle Flüchtlinge, sagt er, "sind froh, hier zu sein". Und sie seien gewillt, zu lernen, zu studieren, sich zu integrieren. Man müsse ihnen nur dabei helfen, sich zurechtzufinden. fpl

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