Wind säen, ohne Wildwuchs zu ernten

Prüm · Bitte keine Goldgräberstimmung - stattdessen eine vernünftige Nutzung der Möglichkeiten: Das empfiehlt Michael Diemer, Forstdirektor im Hunsrück und Fachmann des Landes beim Thema Windkraft im Wald. Im Prümer Land sieht er große Chancen.

Prüm. Der Solidarpakt Windkraft: Die Verbandsgemeinde Prüm hat mit allen Ortsgemeinden und dem Land diesen Vertrag geschlossen, demzufolge die künftigen Pachteinnahmen aus der Windkraft auf kommunalen und Landesflächen zu einem Drittel an die VG gehen und damit allen Gemeinden zugute kommen (der TV berichtete). Die Standorte stehen noch nicht fest.
Windkraft im Wald - das ist auch das Thema von Michael Diemer, Leiter des Forstamts Kastellaun und Referent für Windenergie im Umwelt- und Forstministerium: "Rheinland-Pfalz hat als erstes Bundesland den Wald für die Windenergie geöffnet", sagt Diemer. "Und das war auch gut so."
Bis 2030 soll das Land seinen Strom komplett aus erneuerbaren Quellen beziehen. "Die Windenergie muss dann davon 70 Prozent ausmachen - das ist nur umsetzbar mit Waldstandorten." Das Gute für den Raum Prüm: Er verfüge über einige der windstärksten und damit wirtschaftlich attraktivsten Standorte im Bundesland. Besonders begrüßenswert: der Solidarpakt. Er sei Grundlage für die bestmögliche Ausnutzung der Potenziale.
Wobei der Verlust von Flächen für die neuen, großen Windkraftanlagen inzwischen nicht mehr so gravierend sei wie früher: Für eine Anlage mit drei Megawatt Leistung benötige man nur noch etwa 0,6 bis 0,8 Hektar - so viel wie für einen mittelgroßen Fußballplatz.
Weiterer Vorteil: Neue Anlagen sind so hoch, die Rotoren so weit von den Wipfeln entfernt, "dass der Wald darunter weiter bewirtschaftet werden kann".
Kein Problem mit Halbwertszeit


Einen weiteren Vorzug nennt Peter Wind, der Chef des Forstamts Prüm: "Wenn Sie das Ding nicht mehr brauchen, bauen Sie es einfach zurück. Und es gibt kein Problem mit einer Endlagerung." Halbwertszeit: null.
Michael Diemer weist allerdings auch auf die Nachteile hin, zum Beispiel für das Landschaftsbild: "Wenn Sie ein Windrad bauen und das ist 200 Meter hoch - das sieht man." Das bedeute allerdings auch eine "höhere Naturverträglichkeit": Vogelwelt und Fledermäuse würden, neuen Expertisen zufolge von solchen Anlagen kaum beeinträchtigt. Auch Eiswurf sei mittlerweile zu verhindern - weil die Anlagen entweder über Rotorenheizungen verfügen oder bei Frost abgeschaltet werden.
Dennoch sei das alles kein Freibrief für wild wuchernde Windräder: Es gelte, in jedem einzelnen Fall genau die Verträglichkeit zu prüfen, sagt Diemer.
Erst dann kann man sich die Zahlen anschauen: So bringt eine Anlage von zwei bis 2,3 Megawatt rund 30 000 Euro an Jahrespacht ein - bei größeren Windrädern steigen die Einnahmen sogar bis ins Sechsstellige. Allerdings solle sich keine Kommune, kein Waldbesitzer, von Betreibern, die auf Vertragsabschlüsse für mögliche Flächen drängen, verrückt machen und gegen andere ausspielen lassen. Zwar könne, sagt Diemer, "jeder sein eigenes Süppchen kochen. Aber nach meiner Erfahrung geht das nicht gut." Auch deshalb sei der Prümer Solidarpakt "vorbildlich umgesetzt". Stadtbürgermeisterin Mathilde Weinandy sieht ebenfalls die Chancen der Energiewende - obwohl sie als Hauptvorsitzende des Eifelvereins zwischen den Stühlen sitzt: Einige Mitglieder hätten bereits von ihr verlangt, "dafür zu sorgen, dass die Windkraft ganz aus dem Wald herausbleibt". Inzwischen sei man aber zu einem Kompromiss gekommen und wünsche "eine moderate Lösung - nicht an jeder Ecke Windräder".Extra

Windräder in den Wäldern - seit die Bundeskanzlerin, nicht ganz freiwillig, die Energiewende ausgerufen hat, träumen viele von den Euros, die das in ihre Kassen wehen könnte. So weit aber ist es noch nicht. Auch der neue Flächennutzungsplan für die Verbandsgemeinde Prüm muss erst erarbeitet werden. Darauf verweist auch Bürgermeister Aloysius Söhngen: Noch warte man auf Expertengutachten zu Vogelzug und Schutzgebieten auf dem Schneifelrücken. Im Frühjahr wolle man dann festlegen, nach welchen Kriterien Windkraft-Vorrangflächen ausgewählt werden. Kurz und knapp reagiert Söhngen auf Mutmaßungen, denen zufolge der Bund an der früheren US-Radarstation am Schwarzen Mann Windräder aufstellen wolle: "Da ist noch gar nichts abgestimmt, wir wissen noch nichts." Zudem wünsche er in diesem Fall, "dass auch der Bund unserem Solidarpakt beitritt". fpl

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