Zwischen Nostalgie und Wissenschaft

Eupen · Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens hat in Eupen den Dialektatlas vorgestellt, der in den vergangenen drei Jahren entwickelt wurde. Auch von deutscher Seite nahmen Eifeler an der Präsentation teil.

Eupen. Dialekt schafft Heimat, selbst wenn es nicht der eigene ist: "Wir haben uns hier richtig heimisch gefühlt", sagt Matthias Schreiber. Er ist zusammen mit Heinz-Albrecht Becker und Helmut Büsch aus Prüm zur Vorstellung des Dialekt-Atlasses nach Eupen gekommen und zeigt sich sehr angetan vom Projekt und seiner Präsentation.
"Zu unserer Identität gehört nicht nur das Hochdeutsche, sondern auch alle Dialekte und Brauchtümer", sagt Isabelle Weykmans, Kulturministerin der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens (DG). Und aus diesem Grund hat die DG von den Sprachwissenschaftlern der Universität Lüttich den Atlas erstellen lassen, der den Variantenreichtum der Mundart zwischen Eupen und St. Vith darlegt (der TV berichtete).
Was die Initiatoren besonders freut: Rund 1700 Menschen machten dabei mit und lieferten Begriffe aus ihren Heimatorten - auch diesseits der Grenze (siehe Extra).
Große Vielfalt


Die Vielfalt ist groß; das zeigen auch die beiden Beiträge von Jean Schoonbrodt aus Lonzen im Norden und von Hubert Jates aus Amel in der belgischen Eifel. Schoonbrodt liefert unter anderem ein herrliches Gedicht von der Piep, der Pfeife, während Jates vom Aufwachsen in den Nachkriegsjahren erzählt.
Klar: Viele jüngere Eifeler beiderseits der Grenze sprechen schon keinen Dialekt mehr. Das zeigt sich auch an den gut 150 Besuchern im Ministerium der DG. Da seien "bestenfalls eine Handvoll Leute um die 40 Jahre" gewesen, wie Heinz-Albrecht Becker hinterher bemerkt.
Dialekt sei eben doch fast nur noch etwas für die älteren Semester - und immer unter Nostalgieverdacht. Trotzdem sagt Becker: "Mundartforschung ist keine Flucht in die Vergangenheit und erst recht keine Flucht in die vermeintlich gute, alte Zeit." Zumal Georg Cornelissen, der Fachmann vom Landschaftsverband Rheinland in Bonn, das mit der Nostalgie auch nicht unbedingt für schlimm hält: Wenn die Mundart die erste Sprache sei, die man erlerne, dann hänge man eben besonders daran. Und je mehr man sich von seiner Kindheit entferne, desto mehr Raum biete die Erinnerung für eben diese Nostalgie.
"Eine tolle Idee", sagt Hubert vom Venn, der Eifeler Kabarettist aus Roetgen, zum Atlas. Denn das Projekt zeige auch, wie sehr die Belgier ihren Dialekt noch schätzten: "Viele bei uns schämen sich ja dafür."
Der Dialektatlas, mit vielen Wortbeispielen und weiteren Texten oder Hörproben, wird weitergeschrieben - das Projekt verfolgen und dabei mitmachen kann man im Internet unter www.platt.be.
Geschichten und Hörbeispiele findet man auch auf dem Kulturportal der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens unter www.dgkulturerbe.be. Dort auf "Dialekte und Bräuche" klicken.
Extra

Gerade die Wörter für unscheinbare Gegenstände tauchen oft in sehr unterschiedlichen Varianten auf. Zum Beispiel der Tannenzapfen: Der heißt unter anderem Weermuus, Dänneappel, Fums, Jesöms oder Kukelores. Aus der Brombeere wird unter anderem Wimmel, Bimmel, Hondsbeer, Omper oder Prämel. Und aus küssen wird putsche, knutsche, bütze, schwiemele oder läpsche. fpl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort