40 Jahre Ärzte ohne Grenzen - Trierer Mediziner für Hilfsorganisation in Zentralafrika

Trier · Vor 40 Jahren wurde die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen gegründet. Sie hilft Menschen, die unter Hunger, Naturkatastrophen und unzureichender medizinischer Versorgung leiden. Der Trierer Arzt Sebastian Serwe war für die Organisation in Zentralafrika.

 Der Arzt Sebastian Serwe mit Hebammen im Ärzte ohne Grenzen-Krankenhaus Bougila/Zentralafrika. Foto: privat

Der Arzt Sebastian Serwe mit Hebammen im Ärzte ohne Grenzen-Krankenhaus Bougila/Zentralafrika. Foto: privat

Trier. Neun Monate war Sebastian Serwe fernab jeder Zivilisation. Vor zwei Jahren war der heute 33-jährige Trierer, der eine Allgemeinarzt-Praxis in Luxemburg hat, für die Organisation Ärzte ohne Grenze in Zentralafrika. In der 5000-Einwohner-Stadt Bougila behandelte er Frauen und Kinder, die an Malaria oder Tuberkulose erkrankt waren.
Medizinische Hilfe in einem Land, in dem eine chronische medizinische Notlage herrscht. Ein Land, in dem die Sterblichkeitsrate so hoch ist wie in kaum einem anderen Land. Gerade mal 48 Jahre beträgt die Lebenserwartung der Menschen dort. Serwe hat nach seinem Abitur am Trierer Friedrich-Wilhelm-Gymnasium im saarländischen Homburg Medizin studiert, in Luxemburg seine Facharztausbildung gemacht. Unser Redakteur Bernd Wientjes sprach mit ihm über sein Engagement bei Ärzte ohne Grenzen.
Was war Ihre Motivation, sich vor zwei Jahren für Ärzte ohne Grenzen zu engagieren?
Serwe: Schon vor meinem Medizinstudium hat mich der Gedanke gereizt, ins Ausland zu gehen. Nach meiner Facharztausbildung habe ich mich dann bei Ärzte ohne Grenzen beworben. Meine wirkliche Motivation? Man lernt viel, kommt ein bisschen rum, kann Leuten helfen, Medizin dort zu praktizieren, wo sie wirklich gebraucht wird. Obwohl ich nicht wirklich gewusst habe, was mich erwartet.
Wie waren denn Ihre ersten Eindrücke von Zentralafrika?
Serwe: Ehrlich? Ein Paradies. Ein wunderschönes Land. Überall stehen schöne, große Bäume, es riecht überall herrlich.
Das klingt wirklich wie das Paradies. Aber das war doch sicherlich nicht ihr Alltag. Was haben Sie erlebt?
Serwe: Man ist 24 Stunden im Dienst, hat mit einem im Vergleich zu uns ganz anderen Krankheitsspektrum zu tun. Malaria oder Tuberkulose gehören dort zu den Alltagskrankheiten. Die Medizin in Zentralafrika ist sehr grenzwertig, entweder man schafft es, die Krankheiten zu behandeln, oder nicht. Ein kleines Kind mit Malaria kommt ins Krankenhaus und ist am nächsten Tag wieder quietschfidel oder es ist tot. Dazwischen gibt es nichts.
Was waren für Sie die größten Erfolge in der Zeit, in der Sie da waren?
Serwe: Das größte Problem in dem Land sind Scheiden-Blasen-Fisteln bei Frauen nach einer Problemgeburt. Es kommt häufig vor, dass ein Kind während der Geburt stecken bleibt und die Frauen dann mehrere Tage so herumlaufen. Das Kind stirbt. Der Kopf des Kindes drückt auf die Organe und die Gefäßversorgung im Becken der Frau. Das Gewebe stirbt ab, die Folgen sind Fisteln. Dadurch werden die Frauen inkontinent, daher trinken sie weniger, dann beginnen sie zu stinken und werden ausgegrenzt. Als ich damals da war, haben wir diesen Frauen geholfen. Sie wurden geheilt und waren nicht mehr ausgegrenzt. Das war schon ein Erfolg.
Das sind aber doch nur punktuelle Erfolge.
Serwe: Ärzte ohne Grenzen ist eine Notfallhilfe und keine Entwicklungshilfe. Wir wollen bei akuten Problemen helfen, etwa bei Überschwemmung oder Erdbeben. Es geht nicht um Armutsbekämpfung.
Was hat die Zeit für Sie persönlich gebracht?
Serwe: Ich möchte die Erfahrung, die ich dort gemacht habe, nicht mehr missen. Man kriegt einen ganz anderen Blick auf die eigene Arbeit hier, auf unser Gesundheitssystem, auf unser Leben hier.
Würden Sie noch mal für Ärzte ohne Grenzen in ein solches Land gehen?
Serwe: Irgendwann später vielleicht schon. Aber momentan lässt sich das mit der Arbeit in meiner Praxis nicht vereinbaren. Ich kann auch nicht einfach zu meiner Familie, zu meinen Freunden sagen, ich bin dann mal für neun Monate weg. wie
Extra

Ärzte ohne Grenzen wurde im Dezember 1971 von jungen französischen Ärzten zusammen mit Journalisten gegründet. Seitdem leistet die internationale Hilfsorganisation in Ländern medizinische Nothilfe, in denen die Gesundheitsstrukturen zusammengebrochen sind oder die Bevölkerung unzureichend versorgt wird. Mittlerweile sind 30 000 Mitarbeiter in 60 Ländern für die Organisation tätig. Der Schwerpunkt der Hilfe liegt auf Impfprogrammen gegen Krankheiten wie Diphtherie, Masern, Meningitis, Gelbfieber, Kinderlähmung und Cholera. Auch die Behandlung von Aids gehört zu den Hauptaufgaben der für die Organisation tätigen Ärzte. In vielen Ländern unterstützt sie auch den Wiederaufbau und die Inbetriebnahme von Krankenhäusern oder Gesundheitszentren und sorgt für die medizinische Versorgung in Flüchtlingslagern und den Aufbau von Ernährungszentren. wie

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