Flutkatastrophe im Ahrtal ADD im Fokus: War Trier ein Schwachpunkt in der Flutnacht?

Mainz/Trier · Die für Katastrophenschutz zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier wusste früh von teils dramatischen Zuständen an der Ahr. In neuen Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss stützen sie aber die bisherige Behauptung, man habe die Katastrophe nicht absehen können. Die Freien Wähler bringen einen Rücktritt des ADD-Präsidenten ins Spiel.

In der Flutnacht fehlten Hubschrauber. Laut ADD konnte aufgrund der Bedingungen kaum einer fliegen.

In der Flutnacht fehlten Hubschrauber. Laut ADD konnte aufgrund der Bedingungen kaum einer fliegen.

Foto: dpa/Boris Roessler

Als die Flut am 14. Juli am Oberlauf der Ahr schon wütete, war der Katastrophenschutz des Landes noch spärlich besetzt. Gegen 18 Uhr trafen nach und nach Mitarbeiter der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier ein. Sie sollten die sogenannte Koordinierungsstelle besetzen und von Trier aus die vielen betroffenen Kreise bei der Bewältigung des Hochwassers unterstützen. ADD-Chef Thomas Linnertz und der Referatsleiter Heinz Wolschendorf waren in die Vulkaneifel aufgebrochen, um sich dort ein Bild zu machen.

Der Mainzer Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe hat am Freitag Schritt für Schritt die am 14. Juli diensthabenden Mitarbeiter der ADD befragt. Alle bis zum frühen Abend Vernommenen teilten die Behauptung des Innenministers Roger Lewentz (SPD), dass man die Ausmaße der Flut in Ahrweiler erst frühestens am kommenden Tag gesehen habe und am Abend kein Lagebild vorhanden gewesen sei.

Flutkatastrophe 2021: Das sagen die Mitarbeiter der ADD

In den Aussagen der Mitarbeiter klafften teils erhebliche Erinnerungslücken - darüber, wer mit wem gesprochen hat, wer über welches Lagebild Bescheid wusste und wer die Positionen in der Koordinierungsstelle besetzt hatte. Zur Erinnerung: Genau um diese Frage hatte es bereits große Diskussionen in Mainz gegeben. Als die Technische Einsatzleitung im Kreis Ahrweiler im Fokus der Befragung lag, war zunächst unklar, ob alle geforderten Positionen von den Ehrenamtlichen besetzt waren. Nach Aussage eines Mitarbeiters der ADD war die hauptamtlich besetzte Koordinierungsstelle in Trier auch nur mit sechs bis sieben Personen in der Flutnacht ausgestattet.

Die Lage schätzten die Mitarbeiter in der Koordinierungsstelle offenbar anders ein, wie sie sich im Lagebild und Einsatztagebuch von 14. und 15. Juli liest. Darin lesen sich die Hilfegesuche wie folgt: 86.000 Sandsäcke, Menschen zur Rettung auf Dächern, eingestürzte Häuser, vermisste Personen. Schon am frühen Abend hatte die ADD etwa versucht, Hubschrauber zu organisieren, die zunächst auf dem Campingplatz in Dorsel gebraucht wurden. Dort saßen Menschen auf ihren Campingwagen fest. „Es ging sogar soweit, dass wir international versucht haben, Hilfe zu bekommen“, sagte ein ADD-Mitarbeiter.

Aber alle hätten nicht fliegen können wegen einer Gewitterzelle. Rheinland-Pfalz selbst hat keine eigenen Hubschrauber mit Seilwinde, die für den Einsatz bereitgestanden hätten. Eine Katastrophe in Ahrweiler sahen die Mitarbeiter aufgrund der ihnen vorliegenden Hinweise aber nicht, wie mehrere Mitglieder der Koordinierungsstelle am Donnerstag aussagten.

CDU-Obmann zur Flut: „Massive Versäumnisse und Fehleinschätzungen“

Einen im Alarm- und Einsatzplan Hochwasser des Innenministeriums vorgesehen Führungsstab bei Warnstufe 5, der mit mehr Mitarbeitern ausgestattet gewesen wäre, hatte die ADD nach bisherigen Erkenntnissen nicht eingerichtet. Diese Warnstufe hatten allerdings mehrere Kreise ausgerufen. Wenn ADD-Präsident Thomas Linnertz das Fehlen des Führungsstabes am Freitag nicht erklären könne, müsse er die politische Verantwortung übernehmen und zurücktreten, sagte Stephan Wefelscheid, Obmann der Freien Wähler.

„Es gab massive Versäumnisse und Fehleinschätzungen am Abend der Flutkatastrophe bei der ADD“, kritisierte auch CDU-Obmann Dirk Herber. Die Aufbau- und Ablauforganisation sei improvisiert erfolgt und somit massiv anfällig für Fehler gewesen.

Am Donnerstagabend (nach Redaktionsschluss) war noch die Vernehmung des Referatsleiters Heinz Wolschendorf geplant. Am Freitag sollen ADD-Präsident Linnertz und Innenminister Lewentz aussagen.

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