Ärzte: Impfungen nur gegen Bares

Trier · Die Kinderärzte in Rheinland-Pfalz drohen damit, dass Eltern ab April die Impfungen ihrer Kinder aus eigener Tasche bezahlen müssen. Hintergrund ist ein Streit zwischen der Kasse AOK und den Ärzten über Impfkosten. Die Kasse wirft ihnen vor, mehr Impfstoff als benötigt zulasten der Versicherten bestellt zu haben.

Trier. Es dürfte nicht allzu oft vorkommen, dass die Krankenkasse AOK und die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz eine gemeinsame Presseerklärung verschicken. Und das ausgerechnet zu einem Thema, bei dem sie vor Weihnachten noch im Clinch lagen und sich einen heftigen Schlagabtausch lieferten - der Streit um Impfungen. In der Erklärung heißt es nun, es herrsche kein Impfnotstand.
Der Konflikt: Die Kasse wirft einigen Ärzten vor, sie hätten in den Jahren 2007 bis 2008 mehr Impfstoff, etwa gegen Masern, Röteln oder Grippe, auf Kosten der Kassen bestellt, als sie in einem Quartal bräuchten (der TV berichtete). Obwohl noch genügend Impfstoff zur Verfügung stand, der in folgenden Quartalen hätte verimpft werden können, hätten einige Ärzte trotzdem wieder Impfstoff bestellt. "Muss man sich nicht die Frage stellen, was mit den restlichen Impfstoffen geschieht?", meint der Chef der rheinland-pfälzischen AOK, Walter Bocke-mühl. Nach seinen Angaben kostet zum Beispiel eine Influenza-Impfung 14 Euro, eine Impfung gegen Windpocken etwa 80 und eine gegen Humane Papillomviren, die Gebärmutterkrebs auslösen können, etwa 140 Euro. Die AOK verlangt nach Auskunft einiger Ärzte, dass auch die Impfstoffe, die nicht verimpft wurden, von ihnen bezahlt werden sollen. Durch die Forderungen seien einige Ärzte in ihrer Existenz bedroht, heißt es. Laut Bockemühl erhielten jedoch lediglich etwa 160 von 2850 Ärzten, die in Rheinland-Pfalz Impfstoffe verordnen, solche Prüfberichte.
Die KV warf der AOK vor Weihnachten vor, mit ihrer pauschalen Verurteilung der Ärzte dazu beizutragen, dass diese sich weigerten, Patienten zu impfen, und so die Impfquote in Rheinland-Pfalz weiter nach unten gehe.
Seit Anfang des Jahres verhandeln AOK und KV nun über die Bezahlung der Impfungen. Bislang ohne Einigung. Die Kinderärzte im Land drohten nun damit, ab April nur gegen Vorkasse zu impfen, die Eltern sollen die Impfung direkt in der Praxis bezahlen und sich dann das Geld von ihrer Krankenkasse wieder zurückerstatten lassen. Dadurch drohe ein Impfnotstand, kündigte der Landesverband der Kinder- und Jugendärzte an. Dessen Landesvorsitzender, Lothar Maurer, kritisierte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die AOK alle Ärzte beschuldige, unwirtschaftlich mit Impfstoffen umzugehen. Bleibe die Kasse bei dieser Haltung, dann müssten Patienten ab April die Impfungen zunächst aus eigener Tasche bezahlen, sagte Maurer.
AOK und KV teilten mit, dass kein Impfnotstand drohe, Eltern müssten nicht in Vorlage treten. Zwar gebe es in einzelnen Punkten "noch Gesprächs- und Verhandlungsbedarf", die Verhandlungen seien aber nicht gescheitert. "Es besteht jedoch Zuversicht, dass rechtzeitig vor April für alle Beteiligten akzeptable Regelungen vereinbart werden", heißt es in der Mitteilung. Nach TV-Informationen soll am kommenden Mittwoch erneut verhandelt werden. Sollte es kein Ergebnis geben, könnten die Kinderärzte ihre Drohung wahr machen, heißt es.Extra

Die Stiftung Warentest weicht von den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ab. Gestützt auf Einschätzungen von Experten rät die Stiftung von der Windpockenimpfung ab, die gesunden Kindern ab elf Monaten angeboten wird. Sie biete zwar Schutz. Dieser halte aber nicht unbegrenzt. Windpocken könnten so vermehrt bei Erwachsenen auftreten, bei denen die Krankheit oft schwerer verlaufe. Eine Rotaviren-impfung für Säuglinge dagegen sei sinnvoll. Außerdem solle im Alter von elf bis 15 Jahren ein zweites Mal gegen Meningokokken geimpft werden. red

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