Ärzte proben den Aufstand

Ärzte aus der Region wollen ihre Kassenzulassung zurückgeben und damit Druck auf die Politik ausüben, die Honorare anzuheben. Einige wollen sich aus Protest auch von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) trennen.

Trier. 70 Prozent - das ist eine magische Zahl. Falls 70 Prozent der niedergelassenen Ärzte in der Region bereit sind, ihre Zulassung für die Behandlung von Kassenpatienten zurückzugeben, dann wollen die Mediziner aus dem bisherigen System aussteigen. Gesetzlich Versicherte würden dann zwar auch weiterhin behandelt, aber sie müssten ihre Behandlung selbst bezahlen und das Geld von ihrer Kasse zurückverlangen. Ein solches von den Ärzten herbeigeführtes Systemversagen hat es bislang in Deutschland noch nicht gegeben. Noch ist das aber alles reine Theorie. Zwar spielen einige Ärzte, die in der politischen Interessenvertretung Medi sind, mit dem Gedanken, ihre Zulassung zurückzugeben - aus Protest gegen die aus ihrer Sicht mangelhafte Honorierung ihrer Leistungen. So etwas geschehe nicht leichtfertig und schon gar nicht auf dem Rücken der Patienten, sagt der Trierer Arzt und Medi-Aktivist Martin Dieudonne: "Die Ärzte, die sich für die Rückgabe der Kassenzulassung entscheiden, spielen mit ihrer Existenz." Zunächst geben die Ärzte ihre Verzichtserklärung einem Treuhänder, also in einen virtuellen Korb. Wer diese Erklärung abgegeben hat, bleibt erst einmal anonym. Je mehr Ärzte sich daran beteiligen, desto größer wird der Druck auf die Politik zu handeln, glaubt Dieudonne. Denn sie müsse ja befürchten, dass die sehr hoch gesetzte Grenze von 70 Prozent erreicht wird, wie dies in einzelnen Regionen Bayerns schon der Fall ist.Bisherige Proteste verpuffen wirkungslos

Die Ärzteproteste der Vergangenheit mit tageweisen Praxisschließungen und Demonstrationen etwa in Trier seien mehr oder weniger wirkungslos verpufft. Dieudonne geht davon aus, dass der Frust der Kollegen mittlerweile so groß ist, dass sich viele an dem Korbmodell beteiligen werden. "Wir sitzen mittlerweile mehr vor dem Computer, als wir mit Patienten sprechen. Die Bürokratie wird immer mehr, das Honorar immer weniger", sagt der Trierer Hausarzt. Am 24. April will Medi in Trier den Korb "eröffnen". Von da an können Ärzte ihre Verzichtserklärung abgeben. Während die KV Bayern die Ärzte vor dem "hoch riskanten Manöver" warnt, unterstützt die KV Rheinland-Pfalz die Aktion. Sie zeige, wie verzweifelt die Kollegen seien, sagt der Trierer Hausarzt, Medi-Mitglied und KV-Vorstandsmitglied Michael Siegert. Die KV dürfe die Ärzte nicht dazu auffordern: "Wir können aber auch nicht verhindern, dass sich die Kollegen unter zunehmendem wirtschaftlichen Druck Gedanken darüber machen. Der Druck wäre sofort aus dem Kessel heraus, wenn die Forderung nach einer Honorarerhöhung von 20 plus X Prozent erfüllt würde."Der Ärzteverband Hartmannbund will noch weiter gehen. Ihm angehörige Ärzte wollen sich von der KV lösen, weil sie sich von ihr nicht mehr vertreten fühlen. "Der KV fehlt es an Schlagkraft im Umgang mit der Politik und bei den Verhandlungen mit den Krankenkassen", sagt der Trierer Urologe Friedrich Schäffner. Selbst diese Kritik stößt bei der KV auf Verständnis: Man könne den Ärzten nicht verübeln, dass sie den Systemausstieg suchten, sagt KV-Vorsitzender Günter Gerhardt. Daher will er die Behörde stärker zum Interessenverband ausbauen.

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