Interview mit AfD-Landeschef Uwe Junge „Ich habe gemeint, was ich geschrieben habe“

Mainz · Nach dem Tod von Walter Lübcke wehrt sich der rheinland-pfälzische Fraktionschef Uwe Junge gegen Vorwürfe, mit hetzerischen Tweets zu einem Klima des Hasses beigetragen zu haben. Den CDU-Spitzenkandidaten für 2021 nennt er eine „Notlösung“.

 In der Kritik: AfD-Landeschef Uwe Junge sieht kein Fehlverhalten beim eigenen Auftreten in sozialen Netzwerken. Er sagt: „Der demokratische Gedankenaustausch muss auch Härten und Schärfen aushalten, ohne direkt in Gewalt auszuarten.“

In der Kritik: AfD-Landeschef Uwe Junge sieht kein Fehlverhalten beim eigenen Auftreten in sozialen Netzwerken. Er sagt: „Der demokratische Gedankenaustausch muss auch Härten und Schärfen aushalten, ohne direkt in Gewalt auszuarten.“

Foto: Andreas Arnold

Das Internet hat ein langes Gedächtnis. Nach dem Attentat auf den Kasseler Regierungschef Walter Lübcke griff Bild-Chefredakteur Julian Reichelt vor wenigen Tagen einen Twitter-Eintrag eines AfD-Politikers vom Dezember 2017 auf. Diese Sprache könne zu Mord werden, kommentierte Reichelt den Eintrag, der vom Rheinland-Pfälzer Uwe Junge stammt. Im TV-Sommerinterview, das Landeskorrespondent Florian Schlecht mit allen Fraktionschefs des Mainzer Landtags führt,  spricht Junge darüber, wie hetzerisch er die eigenen Tweets tatsächlich findet, was er gegen rauen Ton im Netz fordert, ob die Partei mit Kritik an Flüchtlingspolitik noch punkten kann. Und er gibt einen Tipp ab, ob die Landtagswahl 2021 Malu Dreyer oder Christian Baldauf gewinnt.

Nach dem Mord an Walter Lübcke warnt der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz vor rechter Gewalt gegen Politiker. Wie groß ist die Gefahr?

Uwe Junge: Ich stimme dieser einseitigen Befürchtung nicht zu, dass ausschließlich rechte Gewalt droht. Wir müssen den Blick auf alle Extremisten werfen, ob islamistisch, links oder rechts. Ich bin von Linken angegriffen worden, mein Haus ist angesteckt worden. Lübcke ist von einem Rechtsextremisten erschossen worden, das war eine furchtbare Tat und ist eine ganz andere Dimension. Wir müssen überlegen, den Begriff des Gefährders neu zu definieren.

Was bedeutet das?

Junge: Wir müssen den Katalog an Kriterien deutlich erweitern, einen Gefährder zu bestimmen, von dem sicherheitsgefährdende Akte ausgehen können. Wenn jemand im Netz schreibt, man solle jemanden erschießen oder aufhängen, braucht es gesetzliche Regeln, solche Leute intensiver zu beobachten und früher aus dem Verkehr zu ziehen. Wer so was ankündigt, ist eine Gefahr für alle. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.

Die AfD hat den Ton über soziale Netzwerke selber verschärft. Hat die Partei damit zu einem hasserfüllten Klima beigetragen?

Junge: Offensichtlich provozieren wir mit unserer Haltung, weil wir eine andere Meinung haben als der Mainstream. Der demokratische Gedankenaustausch muss aber auch Härten und Schärfen aushalten, ohne direkt in Gewalt auszuarten. SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer hatte zu Beginn gefordert, die AfD zu ächten! Das ist ein Vokabular, das manchen Leuten die Motivationsgrundlage bietet, uns massiv körperlich anzugreifen. Solche Aufforderungen sind uns fremd!

Das sehen nicht alle so. Bild-Chefredakteur Julian Reichelt hat einen Tweet von Ihnen aufgegriffen, in dem Sie schrieben, der Tag werde kommen, „an dem wir alle Ignoranten, Unterstützer, Beschwichtiger, Befürworter und Aktivisten der Willkommenskultur im Namen der unschuldigen Opfer zur Rechenschaft ziehen werden“. Reichelt nennt das ein „Beispiel für die Sprache, die zu Mord werden kann.“ War der Tweet ein Fehler?

Junge: Ich habe das so gemeint, wie ich es geschrieben habe und mehrfach erklärt, was ich unter „Rechenschaft“ verstehe. Jeder, der politische Entscheidungen trifft, wird sich irgendwann für sein Handeln vor Gott, seinen Wählern oder seinen Kindern verantworten müssen – auch ich. Die verfehlte Migrationspolitik wird weitreichende negative Folgen haben. Daraus abzuleiten, ich würde dazu animieren, einen politischen Gegner töten zu wollen, ist hetzerisch. Wenn jede abweichende Meinung eine Aufstachelung zum Hass sein soll, können wir die  streitbare Demokratie beerdigen.

Sie deuten gerne auf linke Gewalt, wenn wir über rechte Gewalt reden. Lenken Sie damit nicht vom Problem ab?

Junge: Ich verurteile rechte Gewalt genauso wie linke Gewalt. Da gibt es eine klare Haltung in der AfD. Man kann leider nie verhindern, dass ein paar Leute dabei sind wie der Typ aus Dithmarschen (Anmerkung der Red.: Der AfD-Kreischef hatte Lübcke in einem Facebook-Post verunglimpft). Aber der wird die ganze Härte der Parteigerichtsbarkeit zu spüren bekommen.

Muss der Dithmarscher AfD-Chef aus der Partei fliegen?

Junge: Ja, klar.

Die Zuwanderung von Flüchtlingen hat der AfD Zulauf gebracht. Ist das Thema inzwischen durch?

Junge: Mitnichten, es wird nur weniger berichtet. Die Flüchtlingsproblematik wandelt sich in eine Migrationsproblematik. Im Jahr kommen immer noch gut 180 000 Personen nach Deutschland, von denen der größte Teil nicht integrationsfähig ist. Das wird uns auf Dauer Riesenprobleme bereiten – beim Wohnen, dem Arbeitsmarkt, Rente und Sicherheit. Die Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der AfD zeigt deutlich, dass wir eine Steigerung von 70 Prozent bei nichtdeutschen Straftätern auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Rheinland-Pfalz haben. Da steigt das Unsicherheitsgefühl bei den Menschen massiv, weil bald jeder betroffen sein kann.

Welche Forderungen leiten Sie daraus ab?

Junge: Wir müssen die Polizei  und den kommunalen Ordnungsdienst deutlich verstärken, Datenerhebung wie bei Messerangriffen verbessern, und wir streben an, dass eine sogenannte Dunkelfeldstudie in Rheinland-Pfalz durchgeführt wird, die das gesamte kriminelle Spektrum abdeckt. Es braucht eine realistische Gefahrenanalyse, um daraus wirkungsvolle Maßnahmen ableiten zu können. Die kommunalen Ordnungsdienste müssen wir besser ausrüsten und ausbilden. Ein Zehn-Wochen-Lehrgang für Verwaltungsmitarbeiter, die eine Weste umgehängt bekommen und plötzlich mit Pfefferspray und Schlagstock Sicherheit produzieren sollen, ist verantwortungslos! Wir muten unseren Bediensteten damit zu viel zu. Das ist auch eine Frage der Fürsorge.

Die Grünen profitieren massiv von Klimaschutz-Protesten. Muss auch die rheinland-pfälzische AfD grüner werden?

Junge: Nein. Wir leugnen den Klimawandel ja nicht, aber wir bezweifeln den Umfang der von Menschen gemachten Beeinflussung! Der Großteil der CO2-Ausstöße geht auf die USA, China und Indien zurück. Deutschland erzeugt bis zu zwei Prozent! Die Grünen müssen erst einmal konkret liefern und erklären, wer das bezahlen soll. Stromkosten steigen schon jetzt als zweite Miete für Rentner und Kleinverdiener ins Unbezahlbare!

Sie galten in der AfD früh als Befürworter einer Regierungskoalition mit der CDU. Haben Sie den Traum für Rheinland-Pfalz inzwischen aufgegeben?

Junge: Die CDU ist noch nicht reif für eine Koalition mit der AfD und muss erst mal ihre konservativen Grundüberzeugungen wiederfinden. Das sehe ich derzeit nicht, auch nicht mit einem grünaffinen Christian Baldauf.

Wie schätzen Sie Herrn Baldauf ein?

Junge: Er ist ein netter Kerl, aber eine Notlösung für die CDU. Sie haben keinen anderen.

Heißt: Malu Dreyer bleibt Ministerpräsidentin?

Junge: Christian Baldauf wird noch so viel machen können, das Lächeln von Frau Dreyer wird er nicht wegdrücken können. Ich glaube zwar, dass die SPD auch in Rheinland-Pfalz den Bach runtergeht und es Dreyer beschädigen wird, im Triumvirat des Bundesvorstands zu sein. Doch für Baldauf wird es immer noch reichen.

Ihnen werden Ambitionen nachgesagt, in den AfD-Bundesvorstand zu gehen. Geben Sie Ihren Posten als AfD-Landeschef in diesem Jahr auf?

Junge: Ich werde mich dazu nach der Sommerpause äußern. Uwe Junge wird immer der Partei dienen. Wo sie mich hinstellt, werde ich meinen Auftrag erfüllen. Da bin ich ganz Soldat.

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