Alle im Boot: Ein Präsident wirbt auf der Mosel für Europa

Igel · Welche Bedeutung hat der Vertrag von Lissabon für die deutsche Europapolitik? Wie Norbert Lammert leidenschaftlich verdeutlicht: eine große. Auf Einladung des CDU-Abgeordneten Bernhard Kaster ist der Bundestagspräsident auf der Mosel Bötchen gefahren.

Igel. Nahezu lautlos gleitet die festlich beleuchtete "Princesse Marie-Astrid" über die dunkle Mosel. Über das Kondominium - jenes überlappende Grenzgebiet zwischen Deutschland und Luxemburg. Rund 200 Gäste sind der Einladung des Bundestagsabgeordneten Bernhard Kaster (CDU) gefolgt, sich an diesem ungewöhnlichen Ort mit dem Thema "Demokratie im Stresstest: Bewährungsprobe für Europas Parlamente" auseinanderzusetzen. Dass das Ganze auf einem Boot passiert, hat - anders als ein abwesender CDU-Kollege frotzelt - nichts damit zu tun, dass "dem Kaster da niemand weglaufen kann". Sondern damit, dass das Motto der Tour "Region in einem Boot" lautet.
Dass so viele Bürger mit in diesem Boot sitzen, dürfte auch am Hauptredner des Abends liegen - Norbert Lammert (CDU), Präsident des Deutschen Bundestages, ist parteiübergreifend geschätzt für ebenso unterhaltsame wie brillante Reden. Ihm gelingt es - das zeigen die aufmerksamen Mienen -, die Zuhörer mit der alles andere als leicht verdaulichen Frage zu fesseln, ob Europa nicht gleichzeitig parlamentarischer und demokratischer werden könne. Was für andere ein Widerspruch ist, hält Lammert für möglich. Denn durch den Lissabon-Vertrag, der den Nationalparlamenten ein größeres Mitspracherecht sichert, habe Europapolitik eine neue parlamentarische Dimension bekommen. Und das gelte besonders für Deutschland, dessen Bundestag nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Regierung gegenüber eine außergewöhnlich starke Stellung einnehme. "Es liegt im deutschen Interesse, dass das Parlament beteiligt ist", sagt Lammert. Schließlich bekomme Kanzlerin Merkel ja auch irgendwann - "so in 30 bis 40 Jahren" - einen Nachfolger. Vorbilder für die europäische Idee gebe es nicht. "Wir bauen hier den Prototyp", sagt Lammert leidenschaftlich, und der werde woanders in Serie gehen.
Keiner ist weggelaufen


Als ein weiterer Verfechter Europas erweist sich Laurent Mosar, Präsident der luxemburgischen Abgeordnetenkammer. Auch auf die Großregion will er nichts kommen lassen. Hieß es aus dem Publikum doch glatt, sie sei ein Phantom und ohnehin viel zu groß. "Ich persönlich glaube daran", sagte Mosar - auch wenn er einräumte, dass die Zusammenarbeit mit dem zentralisierten Frankreich zuweilen schwierig sei. "Wir haben die Pflicht, wieder positiv über Europa zu sprechen", findet Mosar. Sonst werde Europa - über dessen gravierendste Probleme an diesem Abend weitgehend geschwiegen wird - untergehen. Das Boot ist unterdessen heil wieder in Igel angekommen. Dass keiner weglaufen konnte, gefällt Lammert. Vielleicht auch ein Modell für die Spree, witzelt der Präsident.

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