Alles nicht so schlimm, wie befürchtet

TRIER. Die Praxisgebühr zeigt ihre Wirkung. Im ersten Quartal sind weniger Patienten zum Arzt gegangen als im Vorjahr. Vor allem die Fachärzte vermelden einen Rückgang der Behandlungen.

Knapp vier Monate nach Einführung der Praxisgebühr steht fest: Die Patienten überlegen sich zwar, ob sie zum Arzt gehen oder nicht, aber gänzlich abhalten lassen sie sich nicht davon. Um knapp zehn Prozent sind die Zahlen in den Praxen gegenüber den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres zurückgegangen. Am deutlichsten ist der Rückgang laut den von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorgelegten Zahlen bei den niedergelassenen Ärzten in der Region Koblenz. Zwölf Prozent weniger Patienten wurden dort von Januar bis April gezählt. Im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Trier sind es acht Prozent. Der KV-Vorsitzende Carl-Heinz Müller gesteht, dass der Schwund nicht ganz so groß sei, wie man anfangs befürchtet habe. "An die Praxisgebühr haben sich die Patienten mittlerweile gewöhnt. Und den Aufwand damit haben schließlich wir, die Ärzte." Viele, vor allem sozial Schwache, würden nicht durch die Praxisgebühr abgeschreckt, sondern durch das, "was danach kommt", die erhöhten Zuzahlungen in den Apotheken. Müller kritisiert, dass die Patienten noch immer viel zu wenig über die mit der Gesundheitsreform verbundenen Änderungen aufgeklärt seien. Während der Rückgang bei den Hausärzten im Schnitt noch unter zehn Prozent liegt, verzeichnen hingegen die Fachärzte deutlich weniger Patienten. Bei den Hautärzten liegt das Minus bei bis zu 20 Prozent. Zwischen zehn und 15 Prozent weniger Behandlungen haben die Fachärzte in der Region.Mehr Platz in den Wartezimmern

Neben den Hautärzten spüren vor allem Orthopäden, Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten, Augenärzte, Gynäkologen und Chirurgen die Wirkung der Praxisgebühr. Im Saarland gingen zum Beispiel 16 Prozent weniger Patienten zu den niedergelassenen Orthopäden. Aber auch die Wartezimmer in den Kinderarztpraxen sind leerer geworden. Bis zu zwölf Prozent weniger Patienten wurden dort gezählt. Ein Beweis dafür, dass viele Eltern nicht ausreichend über die Gesundheitsreform aufgeklärt sind: Kinder brauchen nämlich keine Praxisgebühr zu bezahlen. Andererseits haben die Versicherten durchaus verstanden, wie sie die zehn Euro sparen können. Indem sie sich nämlich eine Überweisung schreiben lassen. Die Zahl der Überweisungen ist um bis zu 146 Prozent gestiegen. Rückgang der Patienten und mehr Überweisungen vom Hausarzt zum Facharzt - genau das ist politisch gewollt. Mit der Praxisgebühr sollte die Einnahmesituation der Krankenkassen verbessert und gleichzeitig der Hausarzt aufgewertet werden. Nach dem Willen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) soll er zum Lotsen werden. Wozu viele Patienten ihren Hausarzt seit Januar automatisch machen, wenn sie sich ausschließlich von ihm Überweisungen schreiben lassen, um so beim Facharzt die zehn Euro zu sparen. Die Ärzteschaft selbst glaubt, dass sich der Trend, dass weniger Patienten zum Arzt gehen werden, nicht fortsetzen wird. Der Rückgang in den ersten drei Monaten des Jahres sei vor allem auf "Vorzieheffekte" zurückzuführen, sagt die Kassenärztliche Bundesvereinigung. "Im November, Dezember gab es einen Ansturm auf die Praxen. Die Leute wollten vor der Gesundheitsreform Medikamente bunkern", erklärt der Trierer KV-Chef Müller. Daher sei das erste Quartal untypisch und ließe keine Aussagen über das Funktionieren der Reform zu. Doch in der bundesweiten Ärzteschaft rechnet niemand damit, dass die Zahl der Patienten weiter zurückgehen wird. Im Gegenteil: Es wird sogar erwartet, dass wieder genauso viele in die Praxen kommen wie vor der Gebühr, weil sich die meisten mittlerweile an die zehn Euro gewöhnt hätten.

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