Alles Theater…

Spätestens seit dem Bekenntnis des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller, dass selbst eine hoch emotionale Empörung von Regierungschefs nach einer umstrittenen Abstimmungsniederlage im Bundesrat schlicht verabredet und damit gespielt war, vermuten viele: In der Politik ist alles Theater.

Irgendwie naheliegend also, wenn der Mainzer Landtag als "kreative Annäherung" an das Parlament Ende April für Jugendliche einen Theaterworkshop unter dem Titel "Alles Theater?" anbietet. Mit Mitteln des experimentellen Musik- und Tanztheaters und auf dem Weg "der eigenen spielerischen Auseinandersetzung" soll bei den Teilnehmern ein tieferes Verständnis des Parlaments und vor allem des Plenarsaals als "Bühne" erzeugt werden. Ein freiberuflicher Komponist und eine Lehrerin sind als Referenten eingeplant. Die Inszenierung von Politik und deren Rituale werden am Ende auch zusammen mit Abgeordneten aufgearbeitet. So lobenswert der mutige Weg ist, Jugendliche für das Parlament zu interessieren, zeigt das Engagement doch auch gleichzeitig die bedauernswerte Angebotslücke bei der Weiterbildung des Landtags in eigener Sache. Kontinuierliche Besucher der Plenardebatten vermissen schmerzlichst ein Schulungsseminar "Rhetorik für Abgeordnete". Als Grundkurs für vermeintliche erheiternde Redepassagen musste zwar bisher unfreiwillig die Landtagsfastnacht herhalten. Doch der Erfolg war eher bescheiden. Auch könnte ein Workshop für die Volksvertreter vielleicht das ein oder andere schauspielerische Talent erheblich besser zur Geltung bringen. Noch bringt so mancher Abgeordneter seine Entschlossenheit und Nachdrücklichkeit zu verkrampft, mit Verbissenheit in den Gesichtszügen oder schlicht zu lautstark-polternd zum Ausdruck, worunter nicht selten die Glaubwürdigkeit merklich leidet. In letzterem Fall ganz zu schweigen von den Geräuschempfindungen des Zuhörers. Doch Ernüchterung kehrt bei Nachfragen im Landtag ein: Workshops für die Abgeordneten stehen leider nicht auf dem Programm.

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