Als Jugendmessen Familien spalteten

TRIER. Eine der größten Reformen aller Zeiten bewegte vor gut 40 Jahren die Katholische Kirche. Ist das Zweite Vatikanische Konzil im Bistum Trier angekommen? Was hat sich verändert, wo haperte es bei der Umsetzung? Diesen Fragen geht ein Buch nach, das kommende Woche erscheint. Der TV hat mit einem der Autoren, dem Trierer Professor Bernhard Schneider, gesprochen.

Was hat das Zweite Vatikanische Konzil Ihrer Einschätzung nach im Bistum Trier bewirkt?Schneider: Die Veränderungen waren extrem weit reichend. Um nur einige zu nennen: Das Konzil hat die Beteiligung von Laien angeregt - als Kommunionhelfer etwa oder als Lektoren. Es hat dazu geführt, dass Pfarrausschüsse gegründet wurden, die zu den heutigen Pfarrgemeinderäten wurden. Und es hat das Erscheinungsbild der Kirche in den Gottesdiensten dramatisch verändert, zum Beispiel durch die Einführung der Muttersprache in der Liturgie. Wie sind die Konzilbeschlüsse damals in Trier angekommen?Schneider: Die Mehrheit der Bevölkerung hat die Veränderungen sehr begrüßt. Es gab eine kleinere Gruppe, die sehr distanziert geblieben ist, und eine ebenfalls kleinere Gruppe, der die Veränderungen nicht weit genug gingen. Wie verliefen die Fronten? Schneider: Die Resonanz war meist eine Frage der Generationen. So hat uns eine Frau erzählt, dass ihre Tante ihr die Verwandtschaft aufkündigte, weil sie sich an einer Jugendmesse mit Beatmusik beteiligt hatte. Eine entscheidende Rolle spielten die Pfarrer vor Ort. Einige Pfarreien im Bistum hatten auch um 1970 noch keinen Pfarrgemeinderat, während es anderswo rasch radikale Umbrüche gab, die zum Teil auch verstört haben. Waren die Katholiken im Bistum mit der Umsetzung des Konzils zufrieden? Schneider: Man machte sich engagiert an die Umsetzung - vor allem Bischof Bernhard Stein, der selbst beim Konzil war. Zur Information gab es zwölf so genannte Konzilstage, zu denen 70 000 Menschen kamen. Im Sog der Umbrüche von 1968 hatten manche allerdings noch stärkere Veränderungen erwartet. Hier ist auch im Bistum Enttäuschung entstanden. Eine nicht kleine Zahl von Priestern gab damals ihren Dienst auf, weil Papst Paul VI. am Zölibat festhielt. Reformkreise verlangten weitere Reformen von der Bistumleitung. Entsprechende Diskussionen prägten den Katholikentag in Trier 1970. Dann ist die heutige Haltung der Kirche zum Zölibat eine Rolle rückwärts?Schneider: Die Zölibatsdiskussion wurde auf dem Konzil gar nicht geführt. Damit gab es keine Vorgaben, so dass hinterher auch Kräfte eine Rolle spielen konnten, die auf dem Konzil eine Minderheit waren. Manches hätte bei einer Diskussion dort anders ausgehen können. Aber ich würde auf keinen Fall sagen, dass es hier einen Bruch gibt zwischen Konzil und Umsetzung. Wir haben es mit einer Weiterentwicklung zu tun. Hohe Erwartungen gab es beim Thema Ökumene. Wurden sie erfüllt? Schneider: Das Konzil hat wesentliche Impulse für die Ökumene gegeben. Es war als ökumenisches Konzil angekündigt - aber die Erwartung, dass es zu einer Union der Kirchen kommen könnte, gab es kaum. Es ging um die konfessionelle Konfrontation im Alltagsleben - Stichwort Mischehe. Diese Konflikte wurden nun in einem anderen Geist bearbeitet. Im Bistum nahmen die ökumenischen Aktivitäten in der zweiten Hälfte der 60er Jahre stark zu. Ist die Umsetzung des Konzils inzwischen abgeschlossen?Schneider: Das Konzil ist heute in vielen Bereichen selbstverständlich. Eine andere Liturgie zum Beispiel können sich viele kaum noch vorstellen. Kirchengeschichtlich gesehen leben wir aber noch sehr nahe am Konzil. Es dauert bis zu 200 Jahre, bis Konzilien umgesetzt sind. Wir sind gut beraten, die Texte immer wieder zu studieren. Braucht die Katholische Kirche weitere Reformen? Schneider: Die Kirche muss sich zu jeder Zeit fragen, wie weit sie die Botschaft Jesu an die Menschen heranträgt und was dabei zu verbessern wäre. Der Glaube muss im Heute ankommen. Das Konzil hat die Basis dafür geschaffen, indem es Kirche und Welt nicht als zwei gegensätzliche Pole einander gegenübergestellt hat, sondern klar gemacht hat: Die Kirche steht in der Welt, sie hat ihr etwas zu geben - aber sie ist auch bereit, Anregungen aufzunehmen. S Mit Bernhard Schneider sprach TV-Redakteurin Inge Kreutz.

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