Am Ring tobt der Streit der Musikgiganten

Nürburgring · Bahnt sich in Rheinland-Pfalz ein Rockfestival-Krieg an? Sollte Konzertveranstalter Marek Lieberberg tatsächlich ein mehrtägiges Megakonzert am Mendiger Flughafen aufziehen, könnte eine nahezu absurde Konkurrenzsituation entstehen.

 Vom „Grüne-Hölle-Rockfestival“ wollen die Ringrocker noch nichts wissen, machen das auch unmissverständlich klar. 82 500 Besucher feiern stattdessen die letzte Ausgabe von Rock am Ring am Nürburgring und verwandeln die Eifel seit Donnerstag und bis Sonntag in ein Mekka für Musikliebhaber. TV-Foto: Sven Eisenkrämer

Vom „Grüne-Hölle-Rockfestival“ wollen die Ringrocker noch nichts wissen, machen das auch unmissverständlich klar. 82 500 Besucher feiern stattdessen die letzte Ausgabe von Rock am Ring am Nürburgring und verwandeln die Eifel seit Donnerstag und bis Sonntag in ein Mekka für Musikliebhaber. TV-Foto: Sven Eisenkrämer

Nürburgring. Das geplante Grüne-Hölle-Festival am Nürburgring, das je nach Ausgang des aktuellen Streits um die Namensrechte auch wieder Rock am Ring heißen könnte, würde zeitgleich zum Konzert in Mendig über die Bühne laufen. Der strategische Partner des künftigen Ring-Eigentümers Capricorn, die Deutsche Entertainment AG (Deag), und Konzertveranstalter Lieberberg wollen jeweils nationale und internationale Topbands vom 5. bis 7. Juni 2015 verpflichten.

Der Konzert-Guru, der 29 Jahre Rock am Ring in der Eifel auf die Bühne brachte, hält Mendig für eine erstklassige Alternative, sollte sein Plan scheitern, die renommierte Rockparty nach Mönchengladbach zu verlegen. Ermutigt fühlt er sich von den Bürgermeistern der Stadt (Hans Peter Ammel, SPD) und der Verbandsgemeinde (Jörg Lempertz, CDU), die sich beide um das Festival bemühen. Nur liegt der alte Mendiger Flughafen nur gut 24 Kilometer Luftlinie und 33 Kilometer Fahrstrecke vom Nürburgring entfernt. Zwei Konzertveranstalter würden also in unmittelbarer Nähe um nahezu die gleichen Fans kämpfen.Ruinöser Kampf der Titanen



Lieberberg hat bereits erklärt, die Ticketpreise senken zu wollen: von 220 Euro auf höchstens 165 Euro. Würde dieser bizarre Kampf der Musikgiganten am Ende durch einen Preiskrieg entschieden? Zweifelsfrei: Lieberberg hat eine persönliche Bindung zur Eifel. Ihn hat es nicht unberührt gelassen, wie die Fans ihn beim jüngsten Rock-am-Ring-Festival gefeiert haben. Und in Mönchengladbach will man ihn und sein Festival zwar gerne in der Ex-Militärbasis Joint Headquarter (JHQ) ansiedeln (Alternativtitel: Rock im JHQ). Doch noch ist keine Genehmigung erteilt. Vorher muss über Sicherheitstechnik und Artenschutz verhandelt werden.

Lieberberg hält sich Hintertüren offen. Denn schon bald müssen Verträge gezeichnet werden, zumal er auch die Parallelveranstaltung Rock im Park mitdenken muss. Aber kann Mendig wirklich eine realistische Alternative sein? Lieberberg ist gewiefter Geschäftsmann genug, um zu wissen, dass ein ruinöser Kampf der Musiktitanen auf engstem Raum keinen Platz für Gewinner lässt. Es sei denn, er macht Mendig so schnell klar, dass die Konkurrenz am Ring hoffnungslos ins Hintertreffen gerät.

Am Ende dürfte nur ein Festival in Ring-Nähe überleben. Vielleicht wirft Lieberberg den Stein Mendig aber auch nur aus taktischen Gründen ins Wasser. Als mediale Gegenoffensive, um Insolvenzverwalter und künftige Ring-Besitzer in die Defensive zu drängen, die ihm den Veranstalterstuhl vor die Tür gesetzt haben und ihm jetzt auch noch die Namensrechte für Rock am Ring streitig machen. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung.

Die Insolvenzverwalter - und mit ihnen die voraussichtlichen neuen Besitzer des Nürburgrings - werden ihr Grüne-Hölle-Festival indes mit Wucht und Verve vorantreiben. Zudem wollten sie mit Lieberberg offenbar ein Exempel statuieren. Die Botschaft: Einseitige Verträge zum Vorteil der Veranstalter gehören der Vergangenheit an. Lieberberg hatte 65 Prozent des Gewinns kassiert, der Nürburgring nur 35 Prozent. Mit 55 Prozent wollte der Konzertveranstalter sich nicht zufrieden geben - und unterschätzte dabei die Entschlossenheit seiner Verhandlungspartner. Die suchten einen neuen Vertragspartner - und fanden ihn prompt.

Dieses Signal dürften auch alle anderen verstanden haben, mit denen über Konditionen gesprochen wird. Die künftigen Herren am Ring suchen den Schulterschluss mit der Region und den traditionellen Veranstaltern, aber nicht um jeden Preis. Denn zugleich wollen sie offenbar endgültig mit den letzten Resten des alten Systems von Walter Kafitz, dem langjährigen Ring-Geschäftsführer, brechen. Unter seiner Ägide verdienten angeblich viele prächtig am Eifelkurs - zu Recht oder zu Unrecht - nur die nahezu staatliche Nürburgring GmbH legte stets drauf.
Die Chance für den Neuanfang bietet eigentümlicherweise das EU-Verfahren zum Beihilfestreit. Brüssel verlangt, dass altes und neues Geschäft nicht ineinander übergehen. Es gilt das Prinzip der "wirtschaftlichen Diskontinuität". Sonst könnten millionenschwere Beihilfeforderungen beim neuen Besitzer landen, also bei dem Düsseldorfer Unternehmen Capricorn. Unter dieser Prämisse wäre der Ring quasi unverkäuflich. Um dem Diskontinuitätsgrundsatz zu genügen, mussten und müssen alle Verträge mit Veranstaltern, die nicht auslaufen, gekündigt und neu verhandelt werden. Darunter fiel auch der Kontrakt mit Lieberberg.

Bis Ende 2014 führt die Nürburgring Betriebsgesellschaft GmbH (NBG) das Tagesgeschäft. Danach ist die Capricorn Nürburgring GmbH (CNG) mit Geschäftsführer Carsten Schumacher am Zug, sollte die EU nicht doch noch die Rote Karte für den Verkaufsprozess ziehen. Die CNG sitzt bei Verhandlungen schon jetzt mit am Tisch. Und Capricorn muss die Gewinnmargen vergrößern, um Investitionen zu schultern und Schulden zu tilgen. Der Wind des Wandels könnte daher ein rauer werden.

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