Ampel statt Internetpranger

Trier · Bringt die Veröffentlichung von sogenannten Schmuddelbetrieben im Internet den Bürgern etwas? Ja, finden Verbraucherschützer. "Nein", sagt der oberste Lebensmittelkontrolleur im Land, Charly Leibig. Sie sei Augenwischerei.

Trier. Er ist umstritten. Er sorgt für Frust bei den Lebensmittelkontrolleuren, bei Stadt- und Kreisverwaltungen. Er ärgert Restaurantbetreiber und Lebensmittelhändler. Und er beschäftigt Gerichte, unter anderem in Trier und München. Gemeint ist der Paragraf 40 des Lebensmittel- und Futtergesetzbuches (LFGB). Für Charly Leibig ist die Formulierung eindeutig. Der Name eines beanstandeten Betriebes dürfe nur dann veröffentlicht werden, wenn verdorbene Lebensmittel gefunden oder aber gravierende Hygienemängel im Zusammenhang mit der Lebensmittelkontrolle festgestellt wurden, sagt der Landesvorsitzende des Verbandes der Lebensmittelkontrolleure. Nicht an den Pranger gestellt werden dürfe ein Betrieb, wenn Hygienemängel etwa der Spülmaschine festgestellt werden. "Selbst wenn es aussieht wie bei Hempels unterm Sofa", scherzt Leibig.
Allerdings steht auch in dem seit September vergangenen Jahres geltenden Gesetz, dass ein sogenannter Schmuddelbetrieb dann veröffentlicht werden darf, wenn die Lebensmittelkontrolleure wegen Hygienemängeln ein Bußgeld von mindestens 350 Euro androhen. Und genau diese Regel scheint zu den derzeit umstrittenen und wie jüngst in zwei Fällen in Trier vom Verwaltungsgericht kassierten Veröffentlichungen von zwei Betrieben zu führen. Nur die Verhängung eines entsprechenden Bußgeldes rechtfertigt nach Ansicht von Leibig aber eben nicht die Anprangerung im Internet. Nur wenn unmittelbar Lebensmittel betroffen seien. Der Druck auf ihn und seine Kollegen sei groß, erklärt Leibig. Schließlich hänge von ihnen ab, ob die Existenz eines Unternehmens gefährdet werde. Das Problem sei auch, dass es egal sei, ob nur ein Kilo verdorbenes Fleisch oder 100 Kilo entdeckt worden seien und ob der Betrieb zum ersten Mal damit aufgefallen sei oder zum wiederholten Mal - entsprechend den gesetzlichen Vorschriften müsse der Name des Restaurants oder des Geschäftes veröffentlicht werden. Daher hänge es auch vom Fingerspitzengefühl des Kontrolleurs ab, ob er das für eine Veröffentlichung vorgeschriebene Bußgeld von mindestens 350 Euro verhängen müsse oder es auch mal mit 340 Euro getan sei.
Der Internetpranger sei nicht aussagekräftig, bringe den Verbrauchern nichts. Würden gravierende Hygienemängel festgestellt und eine Grundreinigung angeordnet, könne es durchaus sein, dass ein Betrieb zum Zeitpunkt der Veröffentlichung längst wieder sauber sei.
Eine sogenannte Hygieneampel am Eingang von Restaurants oder Lebensmittelgeschäften bringt in seinen Augen mehr als ein Internetpranger. Vier Farben plus Datum signalisierten eindeutig, was bei der letzten Lebensmittelkontrolle festgestellt worden ist.
So sieht der Vorschlag aus:
Grün: Alles sauber, keine Beanstandungen;
Gelb: geringe Hygiene-Mängel, aber keine Lebensmittel betroffen;
Orange: Hygienemängel, auch Lebensmittel betroffen;
Rot: das Unternehmen wurde von Amts wegen aufgrund gravierender Hygienemängel vorläufig dichtgemacht.
Doch für eine solche Ampel hat es innerhalb der 16 Bundesländer keine Mehrheit gegeben. Nun wagt Nordrhein-Westfalen einen Alleingang. In einem Pilotprojekt in einigen Städten will es die Ampel testen.Extra

Paragraf 40 des Lebensmittel- und Futtergesetzbuches (LFGB) legt fest, die Öffentlichkeit zu informieren, wenn "der hinreichende Verdacht besteht", dass gegen Vorschriften, die dem Schutz der Verbraucher "vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde, ... im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist ... ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel … zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist." wie

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