Anerkannt, aber nicht verordnet

TRIER. Nicht alles, was anerkannt ist, wird auch von Ärzten verschrieben. Seit Jahren kämpft ein Trierer Masseur dafür, dass eine Behandlungsform, die von den Krankenkassen bezahlt wird, auch von den Medizinern verordnet wird. Doch bislang ohne Erfolg – zum Ärger seiner Patienten.

Wolfgang Reinisch hat der Trierer Ärzteschaft den Kampf angesagt. Seit Jahren liegt der Inhaber einer Massagepraxis mit den Medizinern im Clinch, vor allem mit den Orthopäden. Sie weigerten sich, Patienten die von ihm angebotene Chirogymnastik zu verschreiben. Doch alle Interventionen bei Krankenkassen, bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Bezirksärztekammer seien bislang fruchtlos geblieben. "Ich verstehe das nicht. Chirogymnastik kostet die Kassen nur ein paar Cent mehr als Massage, aber kaum ein Arzt verschreibt die Therapie", sagt Reinisch. Dabei sei Chirogymnastik eine anerkannte Therapie. Und in der Tat. Die seit Jahren angewandte Gymnastik wird auch von anerkannten Kurbädern wie in Bad Reichenhall angeboten. Auf der Internetseite des dortigen Kurmittelhauses heißt es: "Chirogymnastik dient dazu, die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu verbessern und die Muskulatur zu dehnen und zu kräftigen." Chirogymnastik schützt vor Rollstuhl

Angewandt werde sie vor allem bei Problemen mit der Wirbelsäule oder auch bei Hexenschuss. Chirogymnastik soll unter anderem die Behandlung bewegungsarmer Menschen unterstützen und die Therapie etwa nach Verletzungen ergänzen. Reinisch hat nach eigenen Aussagen einiges investiert, um die Therapie anbieten zu können. Er nennt nicht nur die Kosten für die speziell dafür erforderliche Bank, sondern auch die ständige Weiterbildung. "Aber mir geht es gar nicht um mich. Mir geht es um die Patienten, denen die Chirogymnastik wirklich hilft." Eine 92-Jährige, die seit November vergangenen Jahres bei Reinisch in Behandlung ist, bestätigt das. Sie habe enorme Probleme mit der Wirbelsäule. "Ohne die Chirogymnastik säße ich schon im Rollstuhl", meint die rüstige Rentnerin, die sich auch ansonsten viel bewegt. Sie hat Glück. Ihr Arzt hat, nachdem sie ihn davon überzeugen konnte, die Therapie verschrieben. "Verordnungshoheit" bei Medizinern

Anders der Arzt einer 70-Jährigen, die seit zwei Jahren zu Reinisch kommt. "Der hat zu mir gesagt, die Kasse bezahlt das nicht, da hat er mir keine Chirogymnastik verschrieben", ärgert sich die Frau, die seitdem die Behandlung aus eigener Tasche bezahlt, "weil sie mir gut tut und ich mich wieder bewegen kann". Die Krankenkassen schieben den Schwarzen Peter den Ärzten zu. Die "Verordnungshoheit" liege bei den Medizinern: "Nur diese sind in der Lage zu beurteilen, ob die Verordnung von Krankengymnastik oder von Chirogymnastik erforderlich ist", heißt es etwa in einem Schreiben der DAK an Reinisch. Der Verband Physikalische Therapie unterstützt den Trierer. Chirogymnastik sei als "optionales Heilmittel" anerkannt. Das bedeute, heißt es in einen Brief an Reinisch, dass "jeder verordnende Arzt, auch jeder Orthopäde, die Chirogymnastik verordnen kann, wenn er dies für erforderlich hält." Doch bei der Trierer Ärzteschaft hält man sich zurück: Jeder Arzt habe "einen Strauß von Therapieformen" an der Hand, die er je nach Behandlungsfall verordnen könne, heißt es bei der Bezirksärztekammer. "Was der Orthopäde letztlich verordnet, ist seine eigene Entscheidung." Die Ärztekammer könne keine Vorgabe machen, da man ansonsten in das Arzt-Patientenverhältnis eingreifen würde, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung. "Das ist doch alles nur Wischi-Waschi. Den Patienten, denen damit geholfen werden könnte, bringt das überhaupt nichts", ärgert sich Reinisch.

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