Anti-Terror-Kurs: Offene Rebellion gegen Bush

Washington. Selbst ein eilig anberaumter Besuch von George W. Bush auf dem Kapitol blieb ohne Wirkung. Als im Streitkräfte-Ausschuss des US-Senats die Stimmen ausgezählt waren, stand fest: Erstmals seit Amtsantritt sieht sich der Präsident einer handfesten Rebellion aus den eigenen Reihen gegenüber.

Das Ganze betrifft eine bedeutende Frage, die auch in Europa hohe Aufmerksamkeit genießt: Welche Rechte sollen Terrorverdächtige künftig bei Militär-Tribunalen haben? Dürfen sie etwa die Beweise einsehen, die gegen sie vorgebracht werden? Für die Mehrheit der Republikaner im Ausschuss, darunter auch den sonst stets treu an der Seite Bushs stehenden Vorsitzenden John Warner, scheint es jedenfalls nur eine Antwort zu geben: Die Vorstellungen des Weißen Hauses, künftig weiter die Rechte von Angeklagten im "Krieg gegen den Terror" eng einzuschränken, sind nicht länger akzeptabel.Da der Präsident im Vorfeld der Abstimmung nicht kompromissbereit war, brachten drei einflussreiche Republikaner einen eigenen Gesetzentwurf ein - mit deutlichen Abgrenzungen zu den Ideen des Weißen Hauses. So soll es künftig nach dem Wunsch der Senatoren keine Möglichkeit für die Anklage geben, durch Druck, Folter oder "Hörensagen" gewonnene Erkenntnisse zu verwenden. Auch müsse den Angeklagten die Möglichkeit gegeben werden, die Beweisakten einzusehen, um sich verteidigen zu können, so Bush-Parteifreund John McCain, der fünf Jahre in Kriegsgefangenschaft des Vietcong zugebracht hatte und nun einer der energischsten Fürsprecher für Gefangenen-Rechte ist. Auch Akten, die von der Regierung als "geheim" eingestuft würden, dürften der Verteidigung nicht vorenthalten werden.

Da die Opposition ohnehin diese Forderungen vertritt, fiel es am Ende den republikanischen Senatoren nicht schwer, ihren Aufstand auch mit einem Abstimmungserfolg zum Ausdruck zu bringen: 15 Ausschuss-Mitglieder stimmten für erweitere Rechte für mutmaßliche Terroristen, neun Senatoren unterstützten den Bush-Kurs. In der kommenden Woche soll es ein Votum im gesamten Senat geben, wobei Beobachter damit rechnen, dass der Präsident auch dort die Folgen dieses "Aufstandes" zu spüren bekommt.

Denn nur zwei Monate vor den wichtigen Zwischenwahlen zum Kongress bemühen sich derzeit zahlreiche Parteifreunde Bushs erkennbar um politische Distanz zu einem Präsidenten, der weiter die niedrigste Zustimmungsquote seiner Amtszeit aufweist und dessen Irak- und Antiterror-Politik besonders von moderaten Republikanern als gefährlich für die eigenen Ambitionen angesehen wird.

Geholfen hat Bush am Donnerstag auch nicht, dass sein früherer Außenminister Colin Powell die Militärtribunal-Pläne seines ehemaligen Chefs verurteilte: "Sie würden sich für unser Land als schädlich erweisen", so Powell. Bush ist zu einer Neuausrichtung der Umgangsregeln mit Terrorverdächtigen gezwungen, seit der Oberste Gerichtshof in Washington im Juni das bis dahin existierende System der Militärverfahren für verfassungswidrig erklärt hatte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort