Apfelsinen- und andere Bomber

PRÜM/TRIER. Immer mehr Schwertransporte rollen durch die Region. Der katastrophale Gefahrgut-Crash vom 1. April auf der B 51 (der TV berichtete) hat erneut deutlich gemacht, wie gefährlich die Eifelstrecke geworden ist.

"Allesin Ordnung, kein Problem" - mit diesen fröhlichen Worten soll derbetrunkene dänische LKW-Fahrer in der Nacht zum 2. April dieEinsatzkräfte an der Unfallstelle bei Neuendorf (KreisBitburg-Prüm) empfangen haben. Soeben hatte er seinen Transportergegen einen Brückenpfeiler gerammt. Als Polizisten undFeuerwehrleute sich dem Lastwagen näherten, explodierte zuerstdie Batterie, dann ging das Wrack mitsamt seiner Ladung - 25Tonnen Insektengift - in Flammen auf. Von diesem Augenblick anwar nichts mehr in Ordnung. "Worauf will man denn noch warten?", fragt ein Beamter von der Polizei-Inspektion Prüm. "Jetzt stellen Sie sich statt dieses Insektizids einmal einen Stoff vor, der hundertmal gefährlicher ist. Was dann?" Sein Urteil: "Der Schwerlastverkehr hat hier in der Eifel nichts zu suchen."

Die Prümer Polizisten wissen, was läuft. "In Almeria starten jeden Tag 500 LKW. Davon fährt ein Großteil hinauf nach Köln und Hamburg", sagt ein Kollege. Und alle nehmen die kürzeste Strecke - durch die Eifel. Praktisch der gesamte europäische Nord-Süd-Verkehr rolle über die Bundesstraße 51. Sicht- und spürbare Hinterlassenschaft: Tiefe Spur-Rillen an vielen Stellen und dadurch erhöhte Schleudergefahr auch auf trockener Fahrbahn.

Wie sehr der Schwerlastverkehr in den vergangenen Jahren zugenommen hat, erläutert Karl-Josef Tölkes vom Landesbetrieb Straßen und Verkehr in Gerolstein: Im Jahr 1990 passierten laut Tölkes Tag für Tag rund 900 LKW den Messpunkt, der sich ebenfalls in Höhe von Neuendorf befindet. 1995 waren es etwa 1500, im Jahr 2000 wurden 2000 Lastwagen gezählt, inzwischen sind es bereits knapp 2200. Kurz: Die Zahl der LKW hat sich in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt. Ähnliches gilt für ihren Anteil am Gesamtverkehr, er stieg von 16 Prozent vor 13 Jahren auf heute knapp 30 Prozent.

Mit entsprechenden Konsequenzen. Tölkes: "Es ist immer der Schwerverkehr, der die Straße kaputt macht. Die PKW spielen keine Rolle." Deshalb soll voraussichtlich im kommenden Jahr auch der Abschnitt zwischen Neureuth und der Abfahrt Schönfeld einen neuen Straßenbelag erhalten. Zwischen Schönfeld und Stadtkyll ist indessen ein dreispuriger Ausbau in der Planung. Bei den darauf entfallenden Kosten ist zu verstehen, dass inzwischen viele eine LKW-Maut fordern. "Damit wird aber das Problem nicht gelöst", sagt ein Polizeibeamter. "Die Zahl der Fahrzeuge nimmt zu, aber die Verkehrsfläche bleibt gleich. Derzeit kriegen unsere Straßen den Rest." Und wenn sich dann ein Schwerlast-Unfall ereigne, "dann sind wir diesen Dingen überhaupt nicht gewachsen". Denn das bedeute jedes Mal: Vollsperrung, Umleitung, Verkehrsinfarkt in den Dörfern.

Tonnenweise Gefahrgut rollt durch die Eifel

Die Transporter haben indessen nicht nur leicht Verderbliches an Bord: Tonnenweise Gefahrenstoffe werden täglich durch die Region gekarrt. "Da sind jede Menge hoch gefährliche Sachen drunter", sagt Günter Scalla, Leiter des Gefahrgut-Trupps beim Polizeipräsidium Trier.

Die Stoffe sind in neun Hauptgruppen unterteilt - vom scheinbar harmlosen Weinbrand bis zum explosiven Gemisch, von ätzenden bis radioaktiven Materialien. Täglich nehmen Günter Scalla und die Kollegen aus den einzelnen Inspektionen Kontrollen vor. Sie registrieren falsch gesicherte Ladungen, überfrachtete Fahrzeuge, manipulierte Geschwindigkeitsmesser und weitere Mängel an den Lastwagen - ganz abgesehen vom nicht immer verkehrstauglichen Zustand ihrer Piloten.

"Der Alkohol ist ein großes Problem. Die Fahrer stehen unter Druck und müssen Stunden kloppen ohne Ende", sagt ein Polizist. "Da sind viele arme Schweine drunter." Oder, wie es ein Kollege ausdrückt: "Hier kommen Fahrer durch, die sind schon für sich allein gesehen ein Risiko. Ganz abgesehen von ihren Fahrzeugen." Und aus Zeitdruck verzichten sie lieber auf die vorgeschriebenen Ruhepausen.

Ein ausgeschlafener Fahrer aber darf die Schlüssel abgeben, weil sein Spediteur das Rennen gegen die Konkurrenz verliert - das immer gleiche Klagelied. Der Druck, vielleicht aber auch nur pure Ignoranz, führt immer wieder zu gefährlichen Manövern: Auf dem zweispurigen Streckenabschnitt zwischen Olzheim und Neureuth gilt zwar ein Überholverbot für Lastwagen, aber kaum jemand hält sich daran. Und in umgekehrter Richtung - dort gibt es nur eine Fahrspur - lassen viele Trucker auf der abschüssigen Strecke ordentlich rollen. Auch dies ein Grund für so manchen Unfall in Höhe von Neuendorf. Kommen dann weitere Faktoren hinzu - Dunkelheit, Regen, Übermüdung und ein betrunkener Fahrer - dann ist ein Crash wie der vom 1. April praktisch programmiert. Eine Entlastung auf der Eifelstrecke ist aber vorerst nicht zu erwarten: Erst wenn die A 1 von Blankenheim bis zum Kreuz Vulkaneifel bei Daun führt, werden weniger Lastwagen über die B 51 rollen. Aber dieser Lückenschluss ist frühestens für das Jahr 2010 vorgesehen.

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